Dies ist der erste Beitrag dieses Krebsblogs vom 10.07.2018 . Beginne hier zu lesen, um unsere gesamte Geschichte zu erfahren wie alles begann.

10.07.2018 – 26 Grad – Tag 1

Wir hatten uns am Vortag heftig gestritten, daher haben wir in getrennten Wohnungen geschlafen. Steffens Kopfschmerzen der letzten Wochen sorgten dafür, dass er extrem reizbar war und unsere Nerven lagen daher bereits seit Wochen blank. Die kleinste Diskussion artete auf diese Weise stets in schlimmsten Streits aus. Es war kaum noch zu ertragen.

Anamnese

Daher fahre ich an diesem Morgen separat mit dem Fahrrad in unsere Küche. Steffen war schon viel eher vor mir dort angekommen und hat die Küche bereits beräumt, damit ich das nicht mehr machen muss. Steffen hatte so ein schlechtes Gewissen wegen unserem Streit, da er leider auch nicht ganz unschuldig daran war.

Als ich um die Hausecke zum Hintereingang unserer Küche komme, sitzt er bereits auf der Türschwelle und bindet sich die Schuhe zu. Er wartet bereits auf mich, damit wir zusammen zum Krankenhaus gehen können. Steffen hat jedoch große Angst vor dem heutigen Termin um 07:30 Uhr und zögert die Zeit bis dahin heraus.

Da es mir ähnlich geht, komme ich auch ein paar Minuten zu spät in der Küche an und fauche ihn direkt an, warum er noch nicht im Krankenhaus ist. Ich habe ihm noch nicht wegen gestern vergeben. Ich schimpfe ihn an: „Man muss doch pünktlich bei sowas sein!“

Kleinlaut fährt er daraufhin mit meinem Fahrrad schnell zum Krankenhaus vor.  Ich halte weiter emotional Distanz. Der gestrige Streit sitzt noch tief. Die Nerven liegen schon seit Monaten blank.

Daher laufe ich ihm langsam und zögerlich zu Fuß zum Krankenhaus hinterher, kaufe unterwegs beim Bäcker noch etwas für uns zu essen ein, da ich ahne, dass das gleich stattfindende Anamnese-Gespräch sicher dauern wird. Mir ist mulmig. Auch ich zögere die Zeit hinaus.

Ich habe so eine Angst davor, was der Arzt wohl sagen wird. Die schlimmen Vorahnungen sind greifbar.

Etwas später komme ich im Krankenhaus an. Wir treffen uns in der Lobby und lassen uns den Raum nennen, wo Steffen hin muss, um sich anzumelden. Als wir im Wartezimmer für die Anamnese sitzen, raufen wir uns endlich wieder halbwegs zusammen.

Die Angst verbindet uns.

Lymphknoten

Da wir beide fest der Meinung sind, oder auch beschlossen haben, der Meinung zu sein – da wir das Schlimmste einfach nicht glauben wollen – dass die Ursache der geschwollenen Lymphknoten nur eine verstopfte Nasennebenhöhle ist, wahrscheinlich nur eine Nasennebenhöhlenentzündung, wollen wir vor dem Anamnese-Gespräch für die Nasenscheidewand-Operation erstmal noch mit dem operierenden Arzt sprechen. Das kann man doch sicher auch einfacher beheben?

Vielleicht kann man ja die morgen stattfindende Operation absagen? Zu groß ist meine Angst, dass Steffen während der Operation stirbt. Und ich verstehe nicht, was die Nasenscheidewand-Operation mit den geschwollenen Lymphen zu tun hat.

Chefarzt

Steffen hatte bereits bei der Voruntersuchung einfach einmal keck „Chefarztbehandlung“ angekreuzt. Gönn Dir! Natürlich wird das nicht von unserer privaten Krankenversicherung gedeckt, aber das ist uns gerade total egal, da die Angst riesig ist.

Endlich kommt der angekreuzte Chefarzt und hat Zeit für uns. Wir gehen in einen separaten Raum und Steffen muss sich auf den Behandlungsstuhl setzen. Der Chefarzt schaut sich Steffen mit diversen Geräten von innen an. Ich sitze zusammengekauert gegenüber, der Dinge harrend, die jetzt kommen werden.

Und direkt zahlt sich das Kreuzchen bei „Chefarzt“ aus, da wir endlich nach vier Monaten Unsicherheit und Odyssee durch die verschiedensten Arztpraxen schreckliche Gewissheit bekommen werden. Der Chefarzt sagt:

Es ist höchstwahrscheinlich ein Lymphom.

Leise und drucksend fragen wir beide unisono: „Was ist das?“

LYMPHDRÜSENKREBS

Der drückt auf alles, alles ist verstopft.

Gefasst sitzen wir auf unseren beiden Stühlen. Steffen eingeklemmt in seinem Untersuchungsstuhl, ich auf dem kleinen Bürostuhl. Wir nicken höflich dem Chefarzt zu und versuchen gefasst zu wirken.

Innerlich frisst sich jedoch der unglaubliche Schock in unsere Herzen, krampft sich hinein und umschließt es fest. Unsere Eingeweide verkrampfen sich. Ein fester Stein formt sich in unseren Gedärmen.

Dennoch versuchen wir freundlich zu bleiben und die wichtigsten Fragen zu fragen:

Ist das schlimm?

Bekommen wir das weg?

Wie lange dauert die Behandlung?

Natürlich will sich der Arzt zu diesem Zeitpunkt nicht darauf einlassen, feste Angaben zu machen.

Auf alle Fälle muss seiner Meinung nach die Operation durchgeführt werden, damit man auch an den Knoten kommt, um eine Probe zu entnehmen und um so die Art des Krebses zu bestimmen um die weitere Behandlung planen zu können.

Steffen tritt nun die Stunden dauernde übliche Tippel-Tappel-Tour eines Anamnese-Gespräches an. Formulare hier, Röntgen da, Atemtests dort.

Pilates

Es ist mittlerweile 11:30 Uhr und ich muss los.

Da ich noch einen Termin bei unserer gemeinsamen Knochenärztin habe, fahre ich weg. Fahre zu ihr. Meine Pilates-Lehrerin und Frau Dr. öffnen die Tür. Als ich die beiden sehe, breche ich heulend zusammen.

Langsam piekst sich die Realität in mein Bewusstsein.

Beide trösten mich, Frau Dr. sichert uns maximale Unterstützung zu. Sie kann medizinisches Cannabis besorgen und betreut Schmerzpatienten. Obendrein beruhigt Sie mich, dass Lymphdrüsenkrebs mittlerweile sehr gut zu behandeln ist.

Krebs!

Am Abend dieses 10.07.2018 sind wir beide endlich wieder zuhause. Wir sind komplett sprachlos. Um die Leere zu füllen, schauen wir Fernsehen. Ich stehe unter Schock und bin erstarrt, bin kalt wie Eis. Wie wenn mein Körper keine Nähe zu Steffen zulassen will, damit mein Herz nicht verletzt wird, jetzt wo so kurzfristig plötzlich alles so endlich ist.

Irgendwann später, als wir endlich gemeinsam im Bett liegen, bricht es jedoch heraus. Wir umarmen uns und weinen fürchterlich. Wir haben so eine Angst und konstatieren, dass wir uns nicht verlieren wollen, da wir uns schrecklich lieben. Dass wir das Ganze hier irgendwie durchstehen.

Schon wieder dieses tiefe existenzielle Angstgefühl auf einem völlig neuen Level.

Werden wir jemals einmal ohne Angst und Sorgen leben können?

Werden wir das gemeinsam überstehen?

Positiv:

wir haben uns

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Dana
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