Dies wird ein aufregender Tag. Was werden wohl die CT-Berichte ergeben? Wie steht es um Steffens Krebs. Waren unsere Mühen wirksam?

An diesem Freitagmorgen geht es auch wieder 5:30 Uhr für mich los. Aber ich bin total verleiert. In der Küche bekomme ich kaum etwas gebacken, obwohl es doch ein übersichtlicher Auftrag ist.

Es ist ein Folgeauftrag für die FU in Dahlem und das Essen muss dieses Mal erst um 12:00 Uhr da sein, also habe ich eigentlich bis 11:00 Uhr Zeit, alles fertig zu bekommen. Parallel bereite ich auch schon die Vorarbeit für das morgige Hochzeitscatering auf dem Schloss vor.

Also hauptsächlich Gemüse grillen für die Antipasti, Möhren schälen und Gemüse schnippeln und alles in den Kühlschrank räumen. Ich möchte bis zur Auslieferung 11:00 Uhr alles fertig bekommen, damit ich am Nachmittag nicht nochmal in die Küche muss. So kann ich mir zumindest einen freien halben Tag erarbeiten.

Aber das Endergebnis kann sich sehen lassen, Bouletten mit Kartoffelsalat, wunderbar auf ein Bambus-Einweggeschirr angerichtet.

Ich bekomme mit Hängen und Würgen gerade so den Auftrag fertig und auch die Vorbereitungen für morgen sind schon erledigt. Abgekämpft springe ich ins Auto. Ich habe wirklich mehr Arbeit als Zeit. Wenn ich irgendwann in die Grube fahre, soll auf meinem Grabstein stehen:

„Die Arbeit höret nimmer auf“

Wieder geht die Fahrt nach Dahlem zur FU. Die Zeit läuft gnadenlos gegen mich. Wieder der 50-Minuten-Googlemaps-Countdown.

Und immer bohrt in meinem Kopf die Angst vor Steffens CT Ergebnissen! Also checke ich das Handy, während ich im Stau stehe.

Steffen kommuniziert gerade via WhatsApp mit unseren Familien. Da sind schon zig Nachrichten: Er hat heute morgen bei der Visite das CT-Ergebnis erhalten.

Und dann kommt die Nachricht:

Der Tumor im Kopf ist fast nicht mehr zu sehen, er ist um zwei Drittel zurück gegangen!!!! Die Lunge und die Leber sind sauber und die Tumore am Hals sind massiv zurück gegangen.

Ich folge der vorgegebenen Route vom Navi, ich fahre wie fremdgesteuert, in Trance. Viel zu langsam für die anderen.

Langsam klickert sich die Bedeutung der Worte in mein paralysiertes Gehirn. Mitten in der Stadt realisiere ich so langsam die Worte.

In meinen Fahrtmonologen richte ich die Worte an meine tote Mama, ob sie da oben irgendwas geregelt hat. Das klingt jetzt vielleicht spooky, aber wir kommunizieren so über Musik. In bestimmten Momenten passiert dann genau irgendein Lied meiner Mama.

Im Radio läuft Flux FM, ein eher alternativer Musiksender mit aktueller Musik. Und plötzlich kommen da die Hollies mit „He Ain´t Heavy, He is My Brother“. Ein Lieblingslied meiner Mama. Also ein „Ja“ von oberster Stelle . Mich zerfetzt es komplett. Ich heule die ganze Fahrt.

Irgendwann komme ich endlich auch verheult in Dahlem an. Die arme Kundin muss sich auch ihren Teil gedacht haben.

Nach der Auslieferung fahre ich schnell nach Hause, schließe die Tür auf, schupse die Schuhe von meinen Füßen und falle aufs Bett und schlafe erstmal. Ich realisiere langsam, dass die Scheiße endlich ist. Dass diese Krebsscheiße bezwingbar ist. Dass es gut ausgehen kann.

Dass Hoffnung, reelle Hoffnung da ist.

Ich bin so unglaublich erschöpft.

Steffens Fieber ist auch zurück gegangen. Er geht wieder draußen was essen, da das heutige Mittagessen bei ihm wahrlich traurig war, Krankenhausessen halt.

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