Heute Nacht waren wieder Minusgrade. Es hat auch geschneit. Ist das ein gutes Zeichen? Sind Zeichen überhaupt sinnvoll? Können wir an irgendetwas die Zukunft voraussagen? Was kommt beim PET-Scan raus, verdammt noch mal??

Heute ist der 13.12.2018. Am 13.07.2018 hörten auch endlich die Hiobsbotschaften auf und Steffen durfte endlich aus dem Krankenhaus. Unser lieber Punkerfreund E. war damals mit dabei und hatte Glück gebracht.

Bringt uns der 13.12. Glück?

Heute ist kein Punkerfreund dabei, wir sind erstmal allein. Bringt uns der heutige Tag Glück? Kann man es an irgendwelchen Zeichen voraussagen? Ist dies nur ein verzweifelter Akt, irgendwie die Kontrolle über sein Leben zu behalten? Die Kontrolle, die man eigentlich nie hatte. Das begreift man leider erst, wenn man mal so richtig am Arsch ist. Du hast keine Kontrolle über dein Leben, du kannst nichts planen und voraussagen.

Es gibt keine Sicherheit im Leben. Alles was Du im Leben lernen musst, ist zu REAGIEREN. Richtig zu reagieren. Und zu akzeptieren.

Versuche, jeden Tag glücklich zu sein. Sage den Menschen, die du magst, so oft du sie siehst, dass du sie magst. Helfe Menschen. Lächle Menschen auf der Straße an. Sei nicht so scheiße cool. Sei dankbar für das Leben, dass Du hast. Niemanden kümmert es, wie du heute aussiehst. Die Leute haben genug mit sich selbst zu tun und alle haben Sorgen und Angst.

Nun, ihr wollt bestimmt wissen, wie es weiter geht:

Der Morgen

Glücklicherweise habe ich heute am 13.12. frei genommen. Also bereiten wir uns ein ausgiebiges Frühstück zu. Mit frisch gemahlenem Espresso – wir haben von Steffens Mutti die gute DDR-Kaffeemühle geschenkt bekommen, die funktioniert natürlich noch. Seit 35 Jahren.

Dazu schönes Vollkornbrot, alter stinkiger Käse, ein wachsweiches Bio-Ei und Frau H.s selbst geschleuderter und liebevoll betreuter Bienenhonig.

Danach holen wir die Warmhaltebehälter und Platten von gestern bei den gestrigen Aufträgen ab. Steffen kommt ausnahmsweise auch zu den Ingenieurs-Mädels mit hoch. Wie gesagt, die sind ja quasi Familie. Alle drücken die Daumen. Von dort fahren wir dann direkt in den Wedding in das Vivantes-Klinikum, denn dort haben wir 13:00 Uhr den Termin.

Warten

Auf die Minute genau kommen wir an. Wir sind wieder in diesem langen Gang der Radiologie. Das letzte Mal waren wir hier am 27.07.2018, an dem Tag, an dem wir die ganze bittere Wahrheit erfahren mussten. Es war furchtbar warm und der Wind wehte wie ein Fön durch die offenen Fenster.

Heute am 13.12. warten wir wieder hier. Draußen ist es diesmal jedoch kalt und grau. Ein anderes Paar nimmt auch Platz im Wartebereich. Dem Mann geht es gar nicht gut. Die Frau springt auf, besorgt Wasser, besorgt Zeitungen.

Wir haben nun 40 Minuten Zeit, denn genau so lang lässt die Ärztin auf sich warten, um die möglichen Szenarien im Hirn durchzuspinnen und um ordentlich schwarz zu malen. Dezenterweise macht das natürlich jeder für sich alleine. Zu oft hatte ich Hoffnung und wurde bitter enttäuscht. Ich will jede Hoffnung und Zuversicht im Keim ersticken. Nichts ist schlimmer, als die Option auf etwas Gutes, welche dann mal wieder komplett zerstört wird. Zertrampelt mit Springerstiefeln aus der Hölle und nochmal oben drauf gerotzt. Nicht mit mir!

Das Gespräch

Dann kommt endlich die Ärztin. Braune halblange Haare, um die 40, nett und zielstrebig. Sie bittet uns ins Zimmer. Während wir die Stühle mit einem lauten Geräusch über den Boden zerren und so geräuschvoll Platz nehmen, nuschelt sie etwas in tiefem bayrischen Akzent in der Tür über den PET-Scan.

Wir haben nichts verstanden.

Es ist derselbe Raum, in dem wir im Juli die Verkündung aus der Hölle hatten, das dumpfe Gefühl in der Magengegend hört bei uns beiden einfach nicht auf während sie uns nach dem Gesagten fragend anschaut.

Wir fragen die Ärztin: „Wie bitte? Was haben Sie gerade gesagt?“

Also wiederholt sie den Satz nochmal:

Das Ergebnis vom PET-Scan sieht super aus! Der Krebs ist inaktiv!

Wir können kaum den Inhalt der Worte verstehen und brechen dennoch auf unseren jeweiligen Stühlen zusammen und heulen Rotz und Wasser. Schauen uns an, sprachlos und verheult.

„Der Krebs ist im ganzen Körper verschwunden, das Nasopharynxkarzinom ist fest verkrustet. Es gibt keine aktiven Krebszellen mehr im Körper.“

Und schiebt gleich noch hinterher:

„Wir brauchen nicht mehr bestrahlen, da ist ja nichts mehr. Sie bekommen vor dem Urlaub noch eine Dosis Ribuximap und dann schauen wir weiter. Das mit dem Ribuximap ist eine einstündige ambulante Therapie. Ansonsten können sie jetzt nach Hause.“

Ich frage noch, ob Steffen jetzt auch wieder arbeiten kann. Ja, dass kann er, aber nur langsam und einfache Sachen.

Steffen muss langsam eingegliedert werden.

Wir können es nicht fassen!

Wir können nach China reisen!

Gemeinsam verlassen wir das Gebäude und sind wie betäubt. Als hätte uns jemand mit dem Hammer auf den Kopf gehauen.

Es ist zu Ende! Der Kampf ist gewonnen und der Krebs ist besiegt!

Wir rufen als erstes unsere Eltern an. Das ist schwierig neben der Radiologie, da gibt es nämlich keinen Empfang. Danach wird allen Freunden Bescheid gegeben.

Dann gehen wir noch schnell in das Nebengebäude und vereinbaren einen Termin für die Ribuximab-Therapie in der nächsten Woche. Einen Tag vor dem Flug nach China. (Nachtrag zum 13.12.: am 19.12. rief der behandelnde Arzt an, dass die Ribuximap-Therapie nicht notwendig wäre, da es ja keinen Krebs mehr zu bekämpfen gibt)

Ein Reiseführer über China vor Corona und nach einer Krebserkrankung

Das Buch über unsere Chinareise

Über unsere letzte gemeinsame Reise nach Shanghai, Peking und ins Huangshan-Gebirge habe ich ein Buch geschrieben. 

Es ist neutral geschrieben, wusste ich doch nicht, was nur einen Monat später passieren würde… 

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Glückszeichen?

Auf der Fahrt nach Hause sehen wir im Berliner Straßenverkehr einen Moskwitsch. So einen hatten wir auch, als ich Kind war. Mein erster Moskwitsch den ich seit Jahren sehe. Und das an diesem Tag, am 13.12.. Wieder so ein Zeichen. Von Mama? Der rote Glücks-Mossi?

Wir fahren nach Hause und machen uns noch fix einen Kaffee und essen die selbstgebackenen Kekse von Frau V.

Und um 18:00 Uhr haben wir an diesem 13.12. einen Tisch im „The Bird“ im Prenzlauer Berg reserviert. Das war der Deal: wenn der Krebs weg ist, gibt es einen Burger. Den besten Burger der Stadt. (Ja, der Burger war lecker, aber nach dem ganzen Gemüsekonsum fühlt man jeden Knorpel im Fleisch und mag nicht mehr wirklich Fleisch essen – Kopfkino)

Es ist vorbei!?!?!

Wir sind so aufgeregt, wir können überhaupt nicht einschlafen.

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