Nach dem anstrengenden gestrigen Tag versuchen wir alle heute etwas auszuschlafen. Vor allen Dingen lassen wir die beiden Wiener ausschlafen.

Für uns ist die Nacht etwas kürzer, da das hübsche Klappsofa, auf welchem wir schlafen, sich als nicht wirklich bequem heraus stellt. Es fühlt sich im Rücken an, als würde man rückwärts auf einem Trabbidach liegen. Wahlweise fällt irgendwo ein Körperteil herunter oder das Bett wackelt. Aber egal, wir haben den Fernseher, den Zugang zur Küche und Steffen Hunger. Also gibt es erst einmal für uns zwei einen Killersmoothie und Porridge.

Dann warten wir, ob es Signale aus dem Schlafzimmer gibt, machen ein riesiges Frühstück mit Biobrot, feistem stinkenden Käse, frischem Obst, Rührei mit Steinpilzen und frischem Schnittlauch, Unmassen von Espresso und sitzen und quatschen zu viert und haben einen schönen Sonntag Morgen und quatschen und quatschen. Irgendwann kommt Steffens Bruderproblem auf das Tableau und Frau V. sagt einen wunderbaren Satz:

„Steffen, wahrscheinlich ist das Problem nur in deinem Kopf, dein Bruder hat das alles gar nicht als Problem wahrgenommen, da er tausend Dinge im Kopf hat. Akzeptiere das einfach für Dich und zerfleische Dich nicht ständig deswegen. Er meint es ja nicht böse, er weiß es nur nicht.“

Stoff zum darüber nachdenken und wahr.

Mittags fahren die beiden dann leider wieder zurück nach Wien. Als wir die beiden zum Auto bringen, schlägt einem die Hitze fett in die Fresse. Eigentlich wollten wir Videos in der Videothek holen – ja, wir sind altmodisch und ja, in Berlin gibt es noch Videotheken. Bleischwer liegt jedoch die Hitze auf uns und wir verkriechen uns sofort in der Wohnung. Wir ziehen die Vorhänge zu, die Sonne kann uns mal.

Als nun wieder Ruhe einkehrt, realisieren wir langsam, was in den letzten beiden Tagen eigentlich passiert ist und sind sehr bewegt und fallen aufgrund der Emotionen in ein kleines Tief. So helfen in dieser Katerstimmung nur noch Musikvideos und Netflix und essen. Unmengen Essen. Da ich nach dem gestrigen Tag komplett fertig und überreizt bin, ist auch nicht mehr möglich.

Was mir aber in dieser Zeit auffällt, ist, dass wir enorm viel Unterstützung von Freunden bekommen und, das ist das eigentlich Überraschende, von uns völlig fremden Personen, von Kunden, denen ich Steffen seine Krebserkrankung mitteilen muss. Von Kunden, denen ich absagen muss, kommen ellenlange Mails mit Ernährungstipps und Hinweisen, worauf man achten solle, ob beim Arzt, bei der Ernährung oder der Art der Diät. Ich notiere und speichere alle Informationen. Ich sauge die Informationen auf wie ein Schwamm.

Ihr alle, ich danke Euch schon mal! Ihr habt meine Sicht auf die Menschheit extrem gewandelt.

Ich, eher misstrauisch, misanthrop und lichtscheu, meine Hochsensibilität verpackt in eine dicke Schicht aus Arroganz, bröckelt. Ich schöpfe etwas Hoffnung für die Menschheit. Es sind die Kleinigkeiten, ein Lächeln auf der Straße, jemanden an der Kasse vorlassen, Türen aufhalten.

Aber trotzdem hat natürlich der Typ, der mir auf die Oberweite schaut, nach wie vor nur Missachtung verdient. Klar. Ein Rückblick in die Leistengegend lohnt sich ja bei sowas nie. Also, ich bin noch die Alte, nur mit bisschen mehr bunt.

Aber zurück zum Thema: irgendwie hat jeder jemanden, der Krebs hat, jeder kennt einen, der den Weg geht oder gegangen ist. Was für ein Fluch ist diese Krankheit.

Und ich denke, viele stehen erst einmal da, wie mit dem Hammer vor dem Kopf gehauen, und wissen nicht, was zu tun ist. Wichtig ist die Ernährung, das ist schon mal klar. Wir haben unseren Gemüsekonsum massiv gesteigert, der morgen startet stehts mit einem Smoothie, Porridge und über den Tag verteilt viel Gemüse. Ja, Rezepte kommen noch.

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