Heute ist der Tag, der über unsere nähere Zukunft entscheiden wird. Ich denke einmal, es wird so ablaufen, dass der Professor sich das MRT von Steffen anschaut und uns dann mitteilt, dass Steffen ab nächster Woche dann zur Chemotherapie für die nächsten 6 Wochen im Klinikum aufgenommen wird.

Das ganze zwar leider stationär, aber dafür ist er dann Ende September wieder fit für unseren Urlaub, den wir schon im Frühjahr gebucht haben. Für die stationäre Aufnahme haben wir ja auch extra das Vitaminpräparat bestellt, damit er auch da Zugang zu einem Minimum an Vitaminen hat.

Die Sonne scheint, mal wieder, morgens sind es schon 26 Grad Celsius, ich hole Steffen am Potsdamer Platz ab und wir fahren in das Klinikum, da Steffen 11:00 Uhr seinen Termin hat.

Zuerst erfolgt die Anamnese direkt in der Onkologie, hier werden wieder Steffens komplette Daten aufgenommen. Im dortigen Wartebereich sitzen wir dann zusammen mit den anderen Patienten, welche gleich bestrahlt werden oder gerade bestrahlt wurden und auf das Krankentaxi warten. Sie schleichen durch die Gänge als Schatten ihrer selbst. Das berührt tief.

Irgendwie sind wir innerlich kühl, unaufgeregt bezüglich des Bevorstehenden. Nach der Anamnese werden wir direkt in ein anderes Stockwerk geschickt. Hier auf dem Flur sind die Fenster am jeweiligen Ende des Ganges sperrangelweit geöffnet, dadurch gibt es einen föhnwarmen Luftzug.

Schock

Dann kommt der Professor, begrüßt uns und bittet uns ins Zimmer, er ist uns extrem sympathisch und erschüttert, warum die Krebserkrankung so spät festgestellt wurde. Er zeigt uns den MRT Scan von Steffens Kopf. Das erste Mal sehen wir die komplette Dimension des Wahnsinns. Hinter der Nase ist ein Karzinom und an seinem linken Ohr laufen die geschwollenen Lymphknoten herunter wie eine grauslige Lavazunge aus Krebs.

Er skrollt weiter nach unten. Wird still. Klickt mehrmals, öffnet mehrere Fenster, flucht leise. Er findet jetzt auch noch einen Tumor in der Lunge. Uns wird schlecht. Steffen wird kalkweiß und zittert. Ich halte seine kalte, nasse Hand. Jetzt ist die Frage, ob das ein gestreuter Tumor ist oder etwas komplett Neues. Der Bericht der Lungenbiopsie im Friedrichshainer Krankenhaus liegt zwar vor, aber die Bezeichnung des Krebses fehlt. Ich versuche irgendwie zu helfen und gehe zur Chefsekretärin und bitte Sie, in Friedrichshain anzurufen, damit sie uns direkt den Befund aus der Pathologie faxen.

Der Onkologe macht uns Hoffnung, Sie schaffen das, Sie sind noch jung! Da sich die ganze Behandlung und Findung des Lymphoms so gezogen hat, besteht große Gefahr, dass der Krebs gestreut hat. Also lässt er auch noch umgehend einen PET Scan am Montag anordnen, um herauszufinden, ob noch irgendwo irgendetwas gestreut hat. Die Ergebnisse für das Lungenkarzinom folgen dann am kommenden Dienstag. Am Mittwoch hat dann Steffen seinen nächsten Termin beim Professor, wo dieser PET-Scan samt der Familienname des Lungenkarzinoms besprochen wird.

Irgendwie seltsam erlöst verlassen wir jedoch die Klinik. Wir wissen, was und wo es ist und der Fahrplan steht, der Professor hat erst einmal folgendes vorgeschlagen:

  • 5 Wochen Bestrahlung zweimal täglich, bedeutet, ich fahre Steffen früh und abends zum Bestrahlen in die Klinik, ansonsten ist er zuhause
  • Steffen bekommt eine Magensonde, da durch die Bestrahlung im Halsbereich sämtliche Schleimhäute zerstört werden und er dadurch wahrscheinlich nichts essen können wird.
  • In der 1. Und letzten Woche bekommt er zusätzlich jeweils noch eine Chemotherapie.

Klingt besser als 5 Wochen Krankenhausaufenthalt, finden wir.

Wenn die Sachen endlich ihren Lauf aufnehmen und jetzt auch alles schnell hintereinander losgeht, ist das sehr gut, da man keine Zeit zum grübeln über Eventualitäten hat.

Erstmal gehts in der brütenden Hitze nach Hause. Wir schnappen uns die Fahrräder und fahren zu unserem Lieblingsitaliener und essen Pizza und trinken erst einmal Trostbier.

Aufgrund der ganzen Antibiotika und zurückgekehrten Kopfschmerzen bei Steffen war Bier eigentlich Tabu. Aber heute ist eh alles egal, wenn das Böse bald ausgebrannt wird.

Blutmond

Abends dann das Jahrhundertereignis: der längste Blutmond dieser Zeit! Natürlich direkt hinter meinem Hochhaus und nicht im Sichtbereich. Irgendwann gegen 21:45 Uhr soll der Mond sichtbar sein. Also machen wir eine kleine Nachtwanderung um mein Hochhaus, und versuchen den Mond dann zu entdecken, was bei der diesen Sommerhitzenachtluft etwas schwierig ist. Aber letztendlich sehen wir ihn, blaßrot über den Dächern. Also fahren wir in den 14. Stock meines Hochhauses, um ihn von da zu beobachten. Ich war noch nie hier oben, obwohl ich hier schon 17 Jahre Wohne und bin fasziniert von diesem Ausblick und den Geräuschen. Und wir sehen den Mond:

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