Mexiko, die Maya und die Unterwelt
In welchem Land dreht sich scheinbar alles rund um den Tod? Richtig: Mexiko. Natürlich musste ich dahin! Ist der lockere Umgang mit dem Tod in Mexiko Grund für die Lebensfreude? Welche Vorstellung haben die Maya vom Jenseits?
Es ist warm. Nicht zu warm. Genau richtig warm. Irgendwas zwischen 24 und 30 Grad. Fremde Geräusche in den Bäumen, hier und da eine Echse … oh, ein Leguan! Sattes grün ringsumher. Nachts das beruhigende Surren des Ventilators.
Hat sie Fieber?
Nein!
Sie hat Mexiko!
Ich bin gerade in Mexiko um der Kälte und der Bitterkeit in Deutschland zu entfliehen. Gerade findet die Winterkonferenz des Citizen Circles statt, einer Community aus remote arbeitenden Unternehmern – und Freunden. Remote bedeutet: nicht stationär arbeiten, also im Umkehrschluss: man kann von jedem Ort der Welt aus arbeiten, auch wenn es „nur“ der heimische Küchentisch ist. Remote arbeiteten bedeutet: nicht in einem Büro in einer Firma sitzen. Höchstens in einem Co-Working-Space.
Also ist diese Konferenz eine gute Gelegenheit für mich, das Nützliche mit dem Genuss zu verbinden. Denn es war schon immer ein Traum von mir, nach Mexiko zu reisen: wegen dem Essen und natürlich wegen des angenehm lockeren Umganges mit dem Tod.
Dem aufmerksamen Leser mag vielleicht aufgefallen sein: Der Tod ist ganz mein Thema: Es gibt irgendwo eine morbide Geschichte? Count me in!
Also ab nach Mexiko!
Sicher kennst du die mexikanisch bunt geschminkten Catrina-Gesichter zu Halloween … Vielleicht hast du auch den Film Coco gesehen. Das sind ja die Bilder, die einem möglicherweise von Mexiko einschießen.
Für mich bedeutet Mexiko, dass es hier eine der besten Küchen der Welt gibt – Tortillas, Ceviche, geschmortes Fleisch, Koriander, Limetten und rote Zwiebeln. Auch hier werden die besten Zutaten auf Höhe des Äquators zu gutem Essen kredenzt (siehe auch andere Lieblings-Reisedestinationen von mir: Indien, Thailand, Seychellen, Mittel- und Südamerika). Hach.
Und parallel Totenschädel überall – bunt bemalt, tanzend. Ach ja, und Karneval ist derzeit auch noch. Überall überbordende Lebensfreude.
Ist der Umgang mit dem Tod in Mexiko ein Grund für die Lebensfreude?
Meine persönliche These ist ja: umso mehr du dich mit der Endlichkeit deines Lebens beschäftigst, umso mehr wertschätzt du dieses auch. Und das merkt man hier besonders, der Tod ist in Mexiko allgegenwärtig. Selbst wenn du durch die Cenote kraulst, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dir von unten ein Totenschädel aus leeren Augenhöhlen zukiekt. Dazu gleich noch. Dazu kommt natürlich die scheinbar ständig scheinende Sonne, angenehme Temperaturen und sattes Grün. Wer als Berliner von November bis März nur dauergrau gewohnt ist, zögert nicht lange mit der Entscheidung, in den Flieger nach Cancun zu starten.
Was passiert also, wenn sich Dana auf Reisen begibt? Als Erstes vergrößern sich meine Ohren, wenn es um meine Lieblingsthemen: Tod, Sterben, Leichen und das Jenseits geht. Eklig, ich weiß. Aber ich kann auch nichts dafür. Diese Themen wurden mir laut indischem Geburtshoroskop in die Wiege gelegt. Aber jetzt bist du hier und kannst entweder weiterlesen oder du bleibst dran:
Also mache ich das Beste daraus und recherchiere alles was ich dazu finden kann. Denn umso mehr ich mich mit dem Tod beschäftige, umso mehr Lebenslust schalte ich frei.
Damit es dir ähnlich geht, habe ich dir hier einige Informationen rund um den Tod und die Unterwelt in Mexiko und dem Glauben der Maya zusammengetragen, die du vielleicht noch nicht wusstest. Zum Beispiel dieses hier:
Die Maya und die Unterwelt
Egal wie viel Mühe sich die Spanier in den letzten Jahrhunderten auch gemacht haben, um die Nachfahren der Maya von dem katholischen Glauben zu “überzeugen” – so ganz konnten sie deren Religion nicht auslöschen. Und genau das ist der Grund, warum hier in Mexiko eine wunderbare Mischung aus der alten und bunten Maya-Religion und der katholischen Pracht entstanden ist.
Denn auch die Maya glaubten an eine Art Jenseits. Sie glauben, dass der Tod nur eine weitere Phase des Lebens ist und dass die Seele des Verstorbenen in die Unterwelt übergeht.
Die Unterwelten der Maya
Doch gibt es bei den Maya nicht nur eine Unterwelt, wie es bei uns nur ein Jenseits gibt. (ok, vergessen wir mal Dantes verschiedene Höllenlevel) Nein, bei den Maya sind die Unterwelten unterteilt. Jedoch wurden diese nicht nach den Taten des Verstorbenen zu Lebzeiten zugeteilt, sondern war hier eine völlig andere Wertung ausschlaggebend. Bei den Maya entschied die jeweilige Todesart über den Platz im Jenseits. Je nach Todesart kam man in eine bestimmte Unterwelt:
Tlalocan
Die Unterwelt für Männer und Frauen, die im Zusammenhang mit Wasser, Überschwemmungen, Ertrinken und Blitzschlag ums Leben kamen. Sie erwartet auf der anderen Seite ein Ort voller Grün und konstantem Sommer, an dem prächtige Pflanzen blühen.
Chichihuacuauhco
Unterwelt für Kinder, die früh gestorben waren. Deren Seelen wurden fortan an einem Ammenbaum genährt, aus dessen Blättern Milch floss.
Tonatiuhixco:
Unterwelt für die Kriegern und für Frauen, die bei der Geburt starben, denn für die Maya war die Geburt gleichzusetzen mit einem Kampf, und wer dabei starb, war im Krieg gefallen. Diese Seelen gingen direkt in die Reinkarnation als bunt gefiederte Vögel, Kolibris oder Schmetterlinge über.
Ixchel:
Wenn Künstler verstarben, wurden sie von der Göttin Ixchel empfangen, die in einer Schicht der oberen Schichten des Himmels sehr nahe bei der Sonne lebte.
Xibalba
Die Unterwelt für den Rest der gestorbenen, welche so beschrieben wird:
„ein kühler dunkler Ort, an welchen die Wurzeln des Ceiba-Baums herabreichen. Gefüllt mit trinkbarem Wasser. Voller Stalaktiten, die mystische Formen ergeben“
An diesem Ort, auch Metnal genannt, verbrachten die Seelen der Verstorbenen vier Jahre in dem heiligen Baum, der Ceiba, und besuchten diverse Häuser (die Dunkelheit, die Kälte, die Jaguare, die Fledermäuse, die Messer und die Hitze), um dann mit dem Lauf des Wassers im Baum eine Art Himmel erklommen, in welchem sie dann in andere Tiere, Gemüse oder Libellen reinkarniert wurden.
Hatten die Maya Friedhöfe?
Laut Matos Moctezuma, einem Archäologen und Anthropologen, wurden Krieger verbrannt. Falls der Krieger in einer weit entfernten Schlacht verstarb, fertigten die Verwandten hölzerne Bildnisse an und verbrannten diese an seiner Stelle.
Bei den Maya gab es keine direkten Friedhöfe, außer man bezeichnet Massengräber als solche. Normalerweise wurden die Verstorbenen wurden je nach Beruf und Alter auf Getreidefeldern oder unter den Häusern beerdigt.
Entsprechend leicht war es, den
Dia de los Muertos
zu feiern, denn die Wege zum Toten waren kurz. Der Dia de los Muertos wurde erst in den letzten Jahrhunderten auf den Tag an Allerheiligen gelegt. Denn die Rituale, die diesem Fest zugrunde liegen, sind viel älter:
Nach altmexikanischem Glauben kommen die Toten einmal im Jahr zum Ende der Erntezeit zu Besuch aus der Unterwelt und feiern gemeinsam mit den Lebenden ein fröhliches Wiedersehen mit Musik, Tanz und gutem Essen.
Dieses Fest war den Maya so heilig, dass sie sogar ihren gefangenen Feinden einen bestimmten Ort zugewiesen haben, um diesen Tag zu feiern.
Doch erst durch spanische Missionare, die vergeblich versuchten, das Fest abzuschaffen, wurden die Feiern auf das Datum des Allerheiligen am 1. November gelegt. Nach dem Motto: wenn wir etwas nicht ausmerzen können, behaupten wir halt einfach, es ist unsere Idee.
Warum ist Essen beim Dia de los Muertes wichtig?
In Mexiko gelingt es mir leicht, zwei meiner Leidenschaften: Essen und Morbides zu verbinden.
Und so habe ich diesen schönen Gedanken rund um den Dia de los Muertos aufgeschnappt:
Was machen eigentlich die Seelen der Toten am Dia de los Muertos?
Betrachtet man sich diesen Tag aus einer anderen Sichtweise, zum Beispiel der des Geistes, wirft sich ein Problem auf:
Was essen eigentlich Geister?
Wie du dir sicher vorstellen kannst, ist das Leben als Geist ein anstrengendes. Immer herumgeistern, deine Angehörigen weinen den ganzen Tag, du kannst nicht helfen und nicht zurück und das Essen fällt auch immer durch.
Eine wichtige Frage, die die Mexikaner fulminant gelöst haben:
Die Mexikaner kochen einfach am Vorabend des Dia de los Muertos all das Lieblingsgericht des Toten. Wenn schon mehrere Verwandte auf der anderen Seite unterwegs sind, artet dieser Tag gerne mal zu einem riesigen Festmahl aus. Verschiedene Geister, verschiedene Lieblingsspeisen.
Mit den Speisen will man die Seelen natürlich auch besänftigen: ein Jahr ohne Essen macht hangry. Die Nacht zum Dia de los Muertos ist magisch: man hat die Möglichkeit, sich etwas von den Toten zu wünschen. Die Mexikaner behaupten, dass diese Wünsche am Ende wirklich wahr werden. Aber wie das nun mal mit Wünschen ist, auch hier muss man am Ende mit den jeweiligen Konsequenzen leben können. Pass auf, was du dir wünschst, es könnte wahr werden.
Ein Mexikaner warnte mich, nicht jedem Schamanen und Hexer, die dich bei den Wünschen unterstützen können, zu vertrauen. Manche machen sich die Verzweiflung der Menschen, die an manchen Wünschen hängen, zunutze und verlangen viel Geld für ihren faulen Zauber.
Also mache das Ganze lieber selbst und gehe mit den Leckereien zum Friedhof. Dort stellt man das leckere Essen auf die Grabstelle, schmückt diese und stellt Kerzen auf. Alle Angehörigen versammeln sich nun um die Grabstätte, singen die ganze Nacht Lieder für die Toten, feiern und essen, um dann nach Hause zu gehen. Ist in unseren Breitengraden eher unangenehm, aber zumindest eine schöne Idee. Wenn man das Grab verlässt, lässt man den Großteil der Speisen dort stehen.
Für die Geister der Toten.
Am folgenden Morgen geht man zum Friedhof zurück. Natürlich stehen die Speisen noch da. Wenn man sie aber nun von probiert, schmecken die Leckereien gewöhnlich nicht mehr. Und jetzt kommt ein wirklich schöner Spruch:
Die Mexikaner sagen, dass wenn die Speisen nicht mehr schmecken, dies ein Zeichen dafür ist, dass die Seelen der Verstorbenen davon gegessen haben.
Und meiner Meinung nach macht das völlig Sinn:
Denn möglicherweise bestehen die Seelen der Verstorbenen gar aus demselben Stoff wie der Geschmack der Speisen selbst: man kann ihn nicht sehen, aber ohne Geschmack, ohne Seele ist ein Leib nicht lebendig.
Hier ist ein kleines Rezept für die Art Kaffee, den man in der Nacht zum Dia de los Muertos am Grab trinkt, um wach zu bleiben. Denn so eine Nacht kann recht lang und wild werden:
Der Kaffee, den man am Dia de los Muertos trinkt
Dieses Rezept für Kaffee, den man am Dia de los Muertos am Grab trinkt, hat mir ein Restaurantbesitzer verraten:
Einfach den Kaffee mit den Gewürzen aufkochen und einen Schuss Tequila hinzufügen:
- Kaffee
- Tequila
- Nelke
- Orange
- Zimt
Also begeben wir uns zu den Toren der Unterwelt:
Die Cenote
Für die Maya waren die Cenoten heilig und stellten den Eingang zur Unterwelt dar. Die Höhlen galten als Sitz der Götter und bisher wurden zahlreiche Opfergaben von Archäologen bei Tauchgängen in den Höhlen gefunden. Darunter auch Menschenopfer. Wir erinnern uns: das Ticket ins bessere Jenseits direkt gelöst. In den Cenoten lassen sich menschliche Aktivitäten sogar bis vor 8500 Jahre zurückdatieren. Damals lag der Meeresspiegel um Yucatan noch um einiges niedriger und die Höhlen waren noch nicht unter Wasser.
Die Mayas nutzten die Cenoten als heilige Orte, um Zeremonien und Rituale durchzuführen, sogar mit Tier- und Menschenopfern als Hommage an ihre Götter. Die von Archäologen und Unterwasser-Speologen entdeckten Ablagerungen weisen darauf hin, dass in vorspanischer Zeit Jungfrauen geopfert und in edle Kleidung und Schmuck gekleidet ins Wasser geworfen wurden.
Sie warfen auch Töpferwaren und Schmuck in Opfergaben und Ritualen in den Boden. Was die Mayas nicht wussten, ist, dass einige Cenoten durch unterirdische Leitungen mit dem Rest der Cenoten verbunden waren , aus denen sie Trinkwasser entnahmen, und wenn sie eine Cenote kontaminiert hatten , konnten sie sich Krankheiten einfangen.
Die unterirdische Verbindung der Cenoten stellt in der Vorstellung der Maya einen eigenen Ort dar, durch den die Seelen der Verstorbenen reisen. Parallel sind Cenoten auch eine innere Dimension, die das Eintreten in bestimmte Bewusstseinszustände vereinfachen kann.
Im Popol Vuh, dem heiligen Buch der Maya, stellt der Weg durch die Cenoten auch den Weg zurück aus dem Jenseits, hin zur Geburt dar und bieten sich auch für die eigene Erweckung eines neuen Selbst an. Am Ende der Straße durch die Unterwelt erreichen Sie das Paradies, das sich im heiligen Baum der Mayas, der Ceiba, befindet.
Der Weltenbaum der Maya – die Ceiba
Für die Maya ist der Ceiba ein heiliger Baum, der mit seinen Ästen den Himmel hält und mit seinen Wurzeln die Unterwelt durchwebt. Er stellt damit die ganze Welt der Maya da, bestehend aus:
- Himmel
- Erde und
- Unterwelt.
In seinen Adern fließen die Säfte der göttlichen Ströme von der Unterwelt hinauf in den Himmel, verbinden den Kosmos mit der Erde und sorgen für die Kommunikation mit allen Ebenen. Selbst die heutigen Maya bezeichnen ihn als „Baum des Lebens“.
Der Schatten der Ceiba ist ein ritueller Ort. Am Fuße des Baumes werden Opfergaben niedergelegt und dem Schatten, den er spendet, wird Respekt gezollt.
Dieser Baum kann bis zu 70 Meter hoch werden und einen Durchmesser von drei Metern erreichen. Ihre großzügige Krone wächst in mehreren „Etagen“ aus Zweigen und Blättern, und ihre fleischigen, blättrigen Blüten verströmen einen besonderen Duft.
Die medizinischen Eigenschaften des Ceiba:
Traditionell werden die Rinde, die Blätter und die Stängel zur Wundheilung und zur Behandlung von Akne sowie zur Linderung der Symptome von Rheuma, Darmerkrankungen, Entzündungen, Zahnschmerzen, Verbrennungen und Hautausschlägen verwendet.
Falls du noch mehr Fragen zu den Hintergründen und der nicht so bekannten Seite von Mexiko hast, schreib mir gerne in den Kommentaren.