Die Kleiderspende
Was macht man eigentlich mit den ganzen Kleidungsstücken des Verstorbenen? Ich habe mich aufgerafft und Steffens Klamotten zur Kleiderspende gebracht. Hier findest du meine Gedanken dazu:
Der Morgen danach
Der gestrige Tag steckte mir noch furchtbar in den Gliedern. Aber wie immer im Leben, geht es ja scheinbar irgendwie weiter. Wider Erwarten wacht man doch am nächsten Morgen auf, der Donnerdrummel hat einen mal wieder nicht geholt und man muss irgendwie weiter machen.
In meinem Hoch des vorhergehenden Wochenendes hatte ich ja Steffens Kleiderschrankseite in Angriff und mir vorgenommen, alles zur Kleiderspende zu bringen. Natürlich gibt es dazu jetzt zwei Sorten empörte Stimmen:
„Was, jetzt erst?“
Team eins
oder
„Wie kannst Du das jetzt schon machen!“
Team zwei
Aber wie immer gilt, alle haben Recht und meine Wohnung ist klein. Entweder schaue ich mir auf ewig jeden Tag Steffens Klamotten an und zerre mich in das absolute Tief der Gedanken wie: „Ach man, wie groß der Typ doch war“, „Ach, damals, als er das T-Shirt anhatte … und falle erstmal in ein Loch oder ich bete mantrahaft die leider bittere Wahrheit vor mich hin:
„Das bringt mir Steffen nicht zurück!“
Also nahm ich am Wochenende jedes Kleidungsstück aus dem Schrank, ließ mich noch einmal tief wegreißen, schnupperte daran, ob wenigstens noch ein homöopatischer Hauch von Steffen vorhanden war – natürlich nicht – weinte bitterlich und versenkte das Kleidungstück in eine große Tüte. Um exakt zu sein, am Ende waren es vier Tüten und eine Kiste mit Schuhen, bereit für die Kleiderspende.
Ein paar Dinge habe ich jedoch aufbewahrt: Steffens Chapka mit seinem Schal, der immer noch nach Steffen riecht, sein Lieblingskapuzenpulli, der schon 25 Jahre alt ist und sein zerfetztes Monostabil-T-Shirt. Monostabil war immer Steffens Name, Musik, Band, als „monostabil“ habe ich Steffen damals kennengelernt. Das bleibt natürlich. Für immer.
Nun stand ich da, vor einer leeren Schrankhälfte, mal wieder in den Gedanken gefangen, was von einem Menschen eigentlich übrigbleibt. Daneben standen die Tüten und Kisten. Ich wollte mit der Kleiderspende etwas Sinnvolles tun und zu absurd war der Gedanke, die Kleidung an Freunde zu verschenken. Die Vorstellung, irgendjemand würde in Steffens T-Shirt vor mir stehen, ist bizarr und fühlt sich falsch an.
Aber zuerst brachte ich einmal alle Tüten und Kisten in mein Auto. Somit war erst einmal alles aus den Augen und aus dem Sinn. Jetzt brauchte ich einen Herzschmerzfilm als Turbo, damit ich richtig dolle heulen konnte. Danach geht es mir meistens besser. Der Körper sagt dann: „dit reicht jetzt, komm mal klar!“ und dann geht es wieder für ein paar Tage, bis der nächste Impact geschieht.
Die Kleiderspende
Nun war also die Situation, dass das Auto voller Säcke und Kisten mit Klamotten war. Da ich an dem besagten Freitag mit dem Auto und unserem Freund E. Dinge abholen musste, habe ich E. direkt verdonnert, mir bei der Kleiderspende zu helfen. Denn vor kurzem bekam ich den Tipp von einem Freund, die Bekleidung doch direkt in die Bahnhofsmission zu geben.
Das war schlüssig, zumal die Bahnhofsmission a) in Berlin ist und b) die Kleiderspende direkt an die Betroffenen geht.
Also verdonnerte ich E., mit mir dahin zu fahren. Ehrlich gesagt hatte ich selbst ein bisschen Schiss, was jetzt wohl passieren würde, wo ich mich melden müsste und wie die Parkplatzsituation ist. Nun, und so war das dann:
Bahnhofsmission Bahnhof Zoo
Direkt hinter dem Bahnhof Zoo befindet sich die
Bahnhofsmission Zoologischer Garten
Jebenstraße 5
10623 Berlin
Als wir nach der Unterführung rechts in die Jebenstraße einbiegen, sehen wir zunächst einmal nichts. Überall sind Bauzäune und keine Parkmöglichkeiten. Ich bin froh, Herrn E. mit dabei zu haben.
Dann sehen wir es. Am Hinterausgang des Bahnhofes stehen unzählige Menschen in der Kälte und warten, dass sie eingelassen werden, um sich aufzuwärmen, etwas zu essen bekommen oder einfach, um einmal soziale Kontakte zu haben.
Zunächst suchen wir den Eingang zur Bahnhofsmission, da dies nicht direkt offensichtlich ist. E. quatscht alle an und fragt, bis wir an eine Glastür, direkt hinten links neben dem Ausgang verwiesen werden.
Ein Mitarbeiter öffnet gerade die Tür. Wir fragen, ob es möglich ist, Kleiderspenden direkt abzugeben. Natürlich.
Wir bringen nacheinander die Sachen in die warmen Räume. Ich entschuldige mich, dass ich nicht die Socken sortieren konnte. „Da werden wir sicher jemanden finden“ lächelt man mich freundlich an.
Die Kälte
Vor der Tür steht ein Mann ohne Schuhe barfuß in der Kälte. Die Füße sind schwarz und kalt. Herrn E. zerfetzt es: „Dana! Gib mir sofort ein paar Schuhe und Socken! Der Mann hat keine Schuhe, der hat keine Schuhe! Wir müssen ihm helfen! Sofort!“
Ich fische Steffens Winterstiefel vom letzten Winter und Steffens Thermosocken, die er mit seinen ewig kalten Chemotherapie-Füßen gebraucht hat, aus der Kiste. Herr E. rennt damit sofort zu dem Mann. Alle umstehenden Obdachlosen helfen nun auch dem Mann, damit er sich abstützen und die Socken und Schuhe anziehen kann.
Ein gutes Gefühl macht sich in mir breit, da ich nun weiß, wo Steffens Sachen sind und dass sie helfen.
Als wir wieder wegfahren, fragt Herr E. „Wie kann so etwas in diesem reichen Land nur möglich sein?“ Er ist schockiert. Zu Recht.
Auf der anderen Seite des Bahnhofs ragen die glitzernden Neubauten in den Himmel.
Eine kleine Bitte
Also, wenn ihr etwas Gutes tun wollt, und nicht nur zu Weihnachten, schaut in Eure Kleiderschränke, wir alle haben zu viele Sachen darin. Packt alles in Tüten, bringt es in die Obdachlosenheime, Missionen oder andere Einrichtungen, die Ihr kennt. So seht ihr auch, dass ihr ganz einfach etwas Gutes tun könnt. Dass die Hilfe direkt ankommt. Und wenn ihr keine Klamotten habt, überweißt einfach eine kleine Spende an die Stadtmission, jede Spende hilft.
Damit Neues in dein Leben kann, muss Altes verschwinden.
Tapfer, Dana und sehr gut gemacht!
Alles Liebe, Ela
Danke, meine Liebe!