Allein in Österreich, Begegnungen als Witwe, Zeitreiseunterkunft

Attersee

von | Sep 19, 2019

Heute werde ich wieder eine Ländergrenze überschreiten, und zwar die nach Österreich. Ich fahre an den Attersee und erlebe das seltsame Verhalten von anderen reisenden Ehepaaren, wenn sie eine Witwe sehen.

 

Heute war die erste Nacht des Roadtrips, in der ich endlich einmal durchgeschlafen habe. Mein furchtbarer Schnupfen scheint besiegt. Also habe ich genug Kraft, heute weiter zum meinem nächsten Zwischenstopp, an den Attersee zu fahren.

Wieder bekomme ich pünktlich um 8:00 Uhr mein Frühstück vor die Tür gestellt. Da könnte ich mich wirklich daran gewöhnen! Heute gibt es wieder leckeres frisches Brot, Hörnchen, Brötchen, Butter, Honig und Marmelade und Hemendex. Ha, was ist das? Fragt sich der geneigte Leser. Na rate mal? Richtig: Spiegelei mit Schinken. Große Liebe.

Um 9:00 Uhr verlasse ich diese sehr niedliche Unterkunft und wackel zu meinem Auto. Es ist ganz schön kalt heute Nacht geworden. Im Auto messe ich 5 Grad. Und plötzlich macht das Auto wieder Geräusche. Wie letztes Jahr im Herbst auch schon. Jetzt verstehe ich, unter einer bestimmten Außentemperatur rödelt es irgendwo. Ich hatte damals Steffen deswegen total besorgt in die Werkstatt geschickt. Der Werkstattmann sagte daraufhin nur, das wäre normal bei Renault, weil in dem Motorraum alles extrem eng verbaut ist.

Und da ist es wieder, das Geräusch. Und die schmerzhafte Erkenntnis, dass es das letzte Mal draußen so kalt war, wo Steffen noch gelebt hat.

Fahrt nach Österreich

Ja, was soll ich machen. Gefühlt ist Steffen bei mir und feiert die ganze Fahrt, denn es ist wunderschön. Die Straße schlängelt sich entlang der Moldau. Links und rechts sind dunkle Wälder. Da es nachts so kalt war, dampft der Fluss. Es ist so wunderschön, dass ich mehrmals quietschen muss und verzweifelt einen Parkplatz suche, um Fotos zu machen. Und dann endlich finde ich einen und werde belohnt.

Hier sieht es aus, wie in den Filmen unserer Kindheit. Es sieht aus wie bei „Arabella, die Märchenprinzessin“ oder „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“.

Radiosender

Wenn ich verreise, möchte ich immer die Sender vor Ort hören, da diese bei mir zum Urlaubsgefühl beitragen. Auf Sardinien lief immer Radio Kisskiss und wir sind mit Steffen die 30er-Kurven mit einer gepflegten 70 langgefetzt. Und Steffen kicherte immer, wenn die Reifen in der Kurve quietschten. 

Das funktioniert aber nicht, wenn man zum Beispiel in Deutschland den Berlin-Brandenburger Raum verlässt, denn dann wird auf dem Land alles gleichgeschaltet. Ob Bayern, Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern, überall kommt exakt dieselbe Musik.

Ich habe Hochachtung davor, wenn Jungmenschen bei dieser Dauerbeschallung mit schlechter Musik befähigt sind, sich einen guten Musikgeschmack zu bilden.

Und hier in Südböhmen läuft schon der österreichische Musiksender

FM4

Den kennen wir über unsere liebe Freundin V. aus Wien. Damals sind wir zu dritt nach Krems an die Donau gefahren. Wieder mit quietschenden Reifen, Frau V. kann das nämlich auch sehr gut. Dazu lief dieser Sender mit verdammt guter Musik und ich habe vor Freude geheult, weil alles so perfekt war.

Dieser Sender wird mich sicher noch durch ganz Österreich begleiten und ich werde die ganze Zeit an die beiden denken.

Attersee

Nach drei Stunden Fahrt komme ich endlich in Weyregg an. Einem Ort am Attersee. Der Attersee war mir bisher nur bekannt von einem scheußlichen Lied beim Eurovision Song Contest, wo ein Typ mit Glatze herumsprang und immer „Atter-, Atter-, Attersee“ brüllte.

So, jetzt war ich nun hier angekommen.

Zu dem Alpenvorland habe ich aus familiären Gründen keine Emotionen, deswegen wollte ich das Thema so schnell wie möglich abhaken und gebe mir hier nur eine Übernachtung. Ich kann mit dem ganzen Alpengedöns mit seinen Blumenkästen und der Volksmusik gar nichts anfangen. Da rollen sich mir die Fußnägel hoch und ich bekomme Aggressionen. Also umgehe ich das, so gut es geht.

Steffen sagte diesbezüglich mal zu mir: „du hast halt eine falsche Taktung, mehr Polka, weniger 4/4 Takt.“ Ein schönes Kompliment von meinem Herz.

Ich habe mir eine beliebige Pension am See ausgesucht, eine, die nicht so teuer ist. Wenn ich keine Emotionen zu etwas habe, will ich dafür auch kein Geld ausgeben.

Die Pension ist knallhart im Jahr 1990 stehen geblieben. Das ist faszinierend. Den Flyer will ich Euch nicht vorenthalten:

Meine Mama und die Reisekataloge

Kurz nach der Wende gab es doch in der „Freundin“ und „Für Sie“ und im „Stern“ glaub ich auch, hinten Annoncen von irgendwelchen Pensionen in Bayern und Österreich. Ihr erinnert Euch, das war die Zeit vor dem Internet. Man konnte da so Miniformulare ausfüllen und sich Kataloge schicken lassen.

Das haben Mama und ich gemacht und irgendwann schwirrten Tonnen von diesen Katalogen ein. In den Katalogen sind die immergleichen Häuser mit den Balkons mit den Blumenkästen. Und mit Swimmingpools mit lachenden blonden Familien. Mit holzvertäfelten Gasträumen.

Wir sind nie hingefahren.

Und jetzt bin ich hier. Im Jahr 1990. Am Attersee. Keine 14 Jahre alt, eher anders herum. Ich weiß noch nicht, was ich fühlen soll.

Im Eingangsbereich der Pension sieht es aus wie in Willy Schwabes Rumpelkammer. Aber die Gastgeberin ist super lieb und erinnert mich an die Mama von Herrn R.

Mein Zimmer ist ein Palast, hat ein separates Klo, eine separate Dusche und ein riesiges Schlafzimmer mit Doppelbett nur für mich allein.

 Außerdem blicke ich von meinem Balkon aus auf den Attersee und drei Taucher darin und das ist schon ganz schön beeindruckend. Und wenn ich Glück habe, habe ich später noch einen Sonnenuntergang, wenn das Wetter mitspielt.

Da ich schon mittags angekommen bin, muss ich die Zeit irgendwie totschlagen. Also fahre ich erstmal mit dem Fahrrad zum Eiskaffee und kaufe mir einen Apfelstrudel mit Schlagobers und einem feinen Kaffee.

Ich finde, das ist ein legitimes Mittagessen! Das Eiskaffee wird von einem älteren Ehepaar um die 70 (!) geführt. Der Apfelstrudel ist selbstgemacht, der Strudelteig ist dünn wie Papier. Ich bin begeistert. 

Und habe keine Lust mehr weiter mit dem Fahrrad zu fahren, denn hier sind Berge, das find ich doof. Zurück zum Auto und ich fahre zum Nachbarsee. Dem

Traunsee

Frau V. hat mir den Tipp gegeben und ich bin beeindruckt von den Felsen, den Bergen, den Häusern, dem allem. Das ist schon ganz schön schön hier.

Reicht jetzt aber, ich habe Hunger. Zum Abendessen gehe ich runter ins Restaurant. Der hiesige Pächter bietet fangfrischen Fisch aus dem Attersee an, der heute früh gefangen wurde. 

Unten am Haus gibt es eine wunderbare Seeterasse. Es ist recht frisch und windig, um die 14 Grad. 

Der Service ist superschnell und freundlich, wahrscheinlich der Pächter selbst. Der Fisch ist eine kleine Renke, so groß wie eine Forelle, mit etwas festerem Fleisch und war heute früh noch im Attersee. Sehr lecker! Und es kostet mit zwei Bier und einer Frittatensuppe 30 EUR.

Witwenreisen – Beobachtungen

Was ich die ganze Zeit sehr interessant finde, ist, wie die Umwelt mit mir umgeht.

Männliche Kellner und die diversen Dienstleister sind immer sehr freundlich und aufmerksam und dass, ohne schmierig zu sein.

Wenn Paare auf mich stoßen, sind die Frauen leicht abweisend und bleiben im Hintergrund. Die Männer grüßen stets freundlich und reden wohlwollend mit mir. Zu wohlwollend für die Ehefrauen. DAher versuche ich stets Blickkontakt mit den Frauen zu halten, damit sie mich nicht als Bedrohung sehen. Dennoch setzen sich diese Pärchen auf Initiative der Frau ganz weit weg von mir hin.

Verzweifelt sucht das Männchen dennoch stets den Augenkontakt mit mir und rief mir dann, als ich den Gastraum zum Schlafengehen verließ, hinterher: „Aber bitte nicht zu wilde machen“.

Was auch immer.

Das gab bestimmt noch Ärger.

Ich werde das weiter beobachten, denn ich finde das recht interessant.

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