ein erschütternder Besuch im KZ Auschwitz

Auschwitz-Birkenau

von | Jul 16, 2020

Ich persönlich beschäftige mich schon immer mit den schlimmen fatalen historischen und morbiden Fakten, die allzu gerne von den satten und arrivierten Menschen verdrängt werden, denn zu groß ist die Angst vor dem eigenen Tod. Natürlich habe ich daher auch Auschwitz-Birkenau besucht, wenn ich schon mal in Krakau bin.

Wer schon einmal einen tiefen emotionalen Verlust erlebt hat, kennt vielleicht dieses Gefühl: man fühlt sich in der normalen Gesellschaft nicht mehr verstanden und unwohl. Alles erscheint oberflächlich, man wird mit seinem Schmerz nicht ernst genommen und wahlweise als irre abgetan. Die normale Welt schmerzt nur noch, weil man weiß, dass man nie wieder Teil des Ganzen sein wird, weil genau ein wesentlicher Teil der eigenen normalen Welt für immer vernichtet wurde.

Triggerwarnung! Diesen Blogeintrag nicht lesen, wenn Du sensibel bist. Explizite Wortwahl und Beschreibung.

Meiner Meinung nach sollte es nach wie vor Pflicht sein, sich als Deutscher mit unseren historischen Verbrechen auseinanderzusetzen. Und ja, ich kenne alle Sätze wie:

  • Wir Deutschen sollten uns nicht immer schuldig fühlen.
  • Andere Länder haben auch Menschen umgebracht.
  • Es gab noch schlimmere Diktatoren als Hitler.
  • Irgendwann ist doch auch mal gut.
  • Man kann doch nicht immer darüber reden.
  • Ich kanns nicht mehr sehen, diese ganzen WW2 Dokus.

Meine Meinung dazu ist jedoch:

  • Geschichte wiederholt sich
  • Wehret den Anfängen
  • Erst wenn wir die Ursachen erkennen, können wir diese auch bekämpfen.
  • Um einen Schmerz zu verarbeiten, muss man sich diesem auch stellen.

Um für mich solch einen Wahnsinn wie Auschwitz-Birkenau zu begreifen, benötige ich Schubladen. Das ist nicht richtig, ich weiß. Aber vielleicht könnt ihr nachvollziehen, was ich meine:

Die menschlichen Modelle

Um in dieser Welt halbwegs klar zu kommen, habe ich für mich die Menschen in drei Modelle unterteilt, denn alle drei Modelle begegnen mir ständig, wobei das dritte Modell mir persönlich am liebsten ist.

Modell 1

Dieser Typ Mensch ist wie ein emotionales Stück Pudding, in welches Du mit einem Messer reinpieksen kannst. Sie schütteln sich nur und gehen einfach weiter. Der Pudding geht nicht kaputt. Sie haben entweder jegliche Empathie abgestreift oder sie niemals besessen.

Findet man bei Soldaten, Arbeitsmaschinen, Mitarbeitern des Finanzamts

Modell 2

Dieses Modell reagiert nur noch auf emotionale Trigger, wie zum Beispiel dem Thema Kinder. Deswegen hilft bei denen immer ein einziger Satz, um wenigstens eine klitzekleine Emotion herüberzubringen: „aber wer denkt denn an die Kinder“. Dann rappelt es kurz im präfrontalen Cortex. Auf diese Weise kann man hier noch eine menschliche Reaktion herauszuzeln.

Findet man in der großen breiten Masse

Modell 3

Diese Personen durchschauen komplexe Situationen schnell, haben einen ausgeprägten Fluchtinstinkt und zu viel Empathie. Sie müssen sich stets vor Modell 1 schützen, da sie sich sonst selbst kaputt machen. Meistens sind sie auch schon durch die Sozialisierung in einem von Modell 1 beherrschten System (wie unserem) kaputt gegangen (Depression, Burn-Out, Anorexie).

Findet man in Form von Therapeuten, Beratern, Strategen, Künstlern, Schriftstellern, Religiös-esotherisches, Buchstaben tanzen usw.

Dies ist lediglich ein schwacher Versuch, um so etwas so furchtbares wie Auschwitz-Birkenau zu erklären.

Wie gesagt, das ist meine Sichtweise. Sicherlich gibt es immer Abstufungen mit etwas mehr schwarz, weiß und grau dazwischen, aber ihr bekommt eine Ahnung davon, was ich meine. Psychologen haben dafür bestimmt eine korrekte Erklärung.

Alle drei Modelle sind in unserer Gesellschaft vorhanden und sie sind auch notwendig, da nur so eine Gesellschaft funktioniert. Gesellschaft braucht Diversifikation. So stellt die Natur sicher, dass egal was passiert, die menschliche Rasse überlebt. Mal überlebt Modell 1 und mal Modell 3. Je nach dem was gefragt ist: draufhauen oder wegrennen.

Die Extreme werden sich jedoch nie verstehen und jedes Modell benötigt eine spezielle Herangehensweise an bestimmte Themen. Und wenn es ein Ungleichgewicht gibt, passieren solche Dinge wie im 2. Weltkrieg, wie in Auschwitz-Birkenau. Grob vereinfacht so ausgedrückt:

Wie konnte es nur soweit kommen?

  • Eine unempathische Diktatur/Führung bestimmt ein Meinungsbild (Modell 1)
  • Man unterteilt die monströsen Aufgaben in abstrakte kleine Unteraufgaben und nimmt so von den Tätern die Schuld „ich habe doch nur die Gleise umgestellt“, „ich habe doch nur das gemacht, was ich tun sollte“ (Modell 1 und 2)
  • Medien verleumden mit Propaganda den jeweiligen Feind und schüren Ängste, machen die anderen bösartig und fremd (Juden fressen Kinder, Syrer vergewaltigen, HartzIVler sind allesamt Schmarotzer …) und sorgen so dafür, dass die gegensätzlichen Parteien nun nicht mehr miteinander kommunizieren, indem man keine gemeinsamen Berührungspunkte mehr hat (Ghettoisierung, Gentrifizierung) (alle 3 Modelle)
  • der aufmüpfige Rest wird mundtot gemacht, bekommt keine Lobby und kommt am besten auch gleich ins Lager oder wird zumindest geächtet (Modell 2 und 3)
  • divide et empera

Auschwitz-Birkenau

Da ich dieses furchtbare Ausmaß dieser Todeslager begreifen und halbwegs erfassen wollte, begab ich mich nach meiner Krakau-Tour nach Auschwitz-Birkenau. Ich wollte eine Ahnung davon bekommen, wie genau Menschen ticken, reagieren, handeln und damit umgehen.

Die Zuggleise in Auschwitz, auf denen die Todeszüge hielten

Auschwitz-Birkenau ist eines der wenigen gigantischen Lager im Osten, die noch erhalten sind. Sobibor wurde ja zum Beispiel komplett von den feigen Nazis zerstört, damit man keine Spuren mehr finden konnte.

Juden in Europa 1933

Die größten Vernichtungslager befinden sich im jetzigen Polen, da es dort den größten Anteil an der jüdischen Bevölkerung gab. So waren die Wege in die Vernichtungslager kurz. In Galizien und auch in der Gegend um Lemberg herum, in Polen und dem östlichen Teil von Österreich-Ungarn betrug der Anteil der jüdischen Bevölkerung um die 25%.

Von den 11 Mio. Juden, die es vor dem 2. Weltkrieg europaweit gab, lebten lediglich 500.000 in Deutschland. Wir haben hier in Deutschland also kaum eine Vorstellung, wie groß die eigentliche Vernichtung dieses jüdischen Volkes war, was dieser Holocaust reell bedeutet. Es bleibt nach wie vor in seiner Monstrosität abstrakt.

Man sieht es zum Beispiel in Krakau daran, wie viele Häuser im ehemals jüdischen Stadtviertel Kazimierz dem Verfall preisgegeben werden, da bis heute die Eigentumsrechte nicht geklärt werden können, da die ehemaligen jüdischen Besitzer tot, also ausgerottet worden sind und nun aufwändig Nachfahren gefunden werden. In fast jedem Dorf in Polen und der Slowakei gab es eine Synagoge. Jeder 4. Bewohner hier war jüdisch.

Sprachlos

Nun stehe ich hier in diesem gigantischen Lager, dem Vernichtungslager Birkenau, wo man vom Mittelweg aus kaum die letzten Baracken links und rechts erahnen kann. Es ist ein wunderschöner Sommertag welcher im krassen Gegensatz zu diesem grauenvollen Ort steht. Unendlich weit spannt hier der blaue Himmel. Die Lerchen zwitschern. Zwischen den Baracken wächst sattgrünes Gras. Angenehme 21 Grad sind für diesen Tag vorausgesagt.

Ein Wachturm in Ausschwitz vor der verstörenden Schönheit einer Wegwarte

Doch hier, in dieser riesigen Ebene merken wir alle, wie die Sonne knallt. Mühsam bedeckt man sich den nackten Kopf. Jeder von uns hat eine Wasserflasche in der Hand. Welch gigantischer Luxus. Uns schmerzen die Füße, da wir während der letzten 3 Stunden dieser Lagerführung bereits 10.000 Schritte gelaufen sind.

Wie unendlich mehr müssen die zum Tode Verurteilten hier gelitten haben. Und dies heute ist ein Tag mit ganz normaler Temperatur. Hier in Kleinpolen steigt die Temperatur im Sommer gern auf 30 Grad und im Winter unter -30 Grad. Und man stelle sich das nur kurz vor, wie das damals gewesen sein muss: die ausgemergelten Körper in immer denselben Klamotten. Dünnen Hemdchen, vielleicht Holzschuhen. Die Kleidung ungereinigt, mit den Schusslöchern, die die Vorgänger töteten und durch diese blut- und kotgetränkt, voller Ungeziefer.

Ganz sicher war hier damals die Wiese nicht so sattgrün wie jetzt. Sondern lehmig, schlammig, mit Fäkalien und Blut versetzt. Und alles hier ist so unfassbar gigantisch und monströs. 100.000 Menschen sollen hier in diesem Lager „gelebt“ haben, aber eigentlich war das Lager permanent überbelegt.

Wir erfahren, dass es im Lager kein fließendes Wasser gab. Zwei Jahre lang haben sich die Frauen mit der einen Tasse Tee, die es zum Frühstück gab, behelfsmäßig gewaschen. Keine Sorge, sie hatten keine Regel mehr, die verschwindet bei Unterernährung.

Es ist für mich jedes Mal unfassbar, was ein Mensch aushalten kann.

Die Vergasungsanlagen und Krematorien kamen kaum mit dem Töten hinterher. In diesem Lager hatte man die Gaskammern so gebaut, dass genau 1.500 Menschen hineinpassten. Schlaue Chemiker haben ausgerechnet, dass eine Dose Zyklon B für 1.500 Menschen ausreicht, genauer gesagt 4 kg Zyklon B vergasen 1.000 Menschen. 

In Birkenau, dem Vernichtungslager von Auschwitz-Birkenau, gab es 4 Gaskammern, an welche direkt die Krematorien angeschlossen waren, in denen die Leichen verbrannt wurden. Innerhalb von 6-10 Minuten waren alle 1500 Menschen vergast.

Diejenigen, die am weitesten von der Einwurfstelle der Zyklon-B-Dose entfernt waren, wurden lediglich bewusstlos und wurden später erschossen. Nach der Vergasung und der Öffnung der Türen zur Gaskammer stellte sich ein Bild wie aus Dantes Inferno dar: Nackte Körper, Kot- und blutverschmiert übereinander, ineinander verkrallt, nach oben, zur Luft. Menschen, die nicht gleich bewusstlos waren, sind in ihrer Todespanik auf die Körper der schon Bewusstlosen geklettert.

Vor der Verbrennung wurden alle (!) Körperöffnungen der Leichen nach Schmuck und Wertgegenständen durchsucht. Und die Goldzähne gezogen. Alles fürs Reich. Hitlergold.

Mit dieser Arbeit waren keine Deutschen oder die Wachmannschaft betraut worden, nein. Die sollten sich nicht die Hände schmutzig machen.

Rund 400 Gefangene waren für diese Arbeit abkommandiert worden, man plante eh, diejenigen bei Kriegsende zu erschießen, damit es keine Zeugen dieser Gräueltaten gab. Mit Hilfe des polnischen Widerstands konnte jedoch ein Film für einen Fotoapparat eingeschleust werden, so dass Bilder dieser Gräueltaten existieren.

Dies für die Auschwitz-Leugner.

Pro Tag konnten auf diese Weise 6.000 Menschen umgebracht werden. Die Asche der verbrannten Leichen wurde danach in Tümpel, Flüsse und in Seen sowie auf den umliegenden Feldern als Düngemittel verstreut. Die ganze Gegend um Auschwitz herum ist nun ein riesiger Friedhof.

Wenn es pro Tag mehr als die verplanten 6.000 Leichen gab und die Krematorien an ihre Grenzen stießen, dies war der Fall, als zügeweise Juden aus Budapest ankamen, wurden diese zusätzlichen Leichenberge einfach angezündet, verbrannt und verscharrt.

Direkt an der Rampe wurden bei der Ankunft der Güterzüge die Gefangenen aussortiert. Wer in die rechte Schlange musste, ging direkt ins Gas. Kinder, Alte, Mütter mit ihren Babys, da sie – obwohl arbeitsfähig – zu viel Geschrei gemacht hätten, hätte man ihnen die Kinder abgenommen. Da war man pragmatisch.

An der Rampe wurde kaum Protokoll geführt, wer und wie viele nach rechts gehen mussten. Daher ist die Zahl der Opfer bis heute nicht genau zu ermitteln. Natürlich könnte man aufgrund der exakten Listen der Listenschreiber und anhand der versendeten Waggons etwaige Zahlen rekapitulieren, aber die meisten Unterlagen waren nach Kriegsende verschwunden.

Man geht aktuell von 1.1 Mio getöteten Menschen in Auschwitz-Birkenau aus. Es sind sicher mehr.

Die deutschsprachige Tour

Schon bei Beginn der Führung stelle ich fest, dass ich einen großen Fehler gemacht habe. Ich habe mich der deutschsprachigen Tour angeschlossen. Warum, mag sich der geneigte Leser fragen, da versteht man doch alles besser. Das stimmt. Man versteht ALLES besser.

Ich fand es nur konsequent, dass der Aufkleber für die Deutschen bei dieser Tour, damit sie sich erkennen und nicht verloren gingen, in gelb war. Dasselbe Gelb wie der Judenstern. Da passte es auch, dass man vor dem Einlass durch eine Desinfektionsdusche musste. Genau mein Humor. Ich hätte es mehr ausgeschmückt.

Leider war der laute Großteil der Tourteilnehmer vom Typ Modell 1 und stellte Fragen, die einen den Magen umdrehten und an der Intelligenz der Menschheit zweifeln ließen. Meine Freundin fragte mich später, warum ich dazu nichts gesagt habe. Aber wenn ich in den letzten Tagen etwas gelernt habe, ist es, dass man Modell 1 nichts sagen kann. Es kommt nichts an. Sie checken es nicht. Sie sind höchstens empört, wie man sich erdreisten kann und dann wird alles nur noch schlimmer.

Was ist geschehen?

Da war eine ältere Dame um die 75 Jahre mit ihrem Sohn. Und diese Dame stellte Fragen, ich dachte ich bin im falschen Film:

Die Schornsteine in den Baracken, die reichen doch nicht zum Beheizen aus – hatten die damals hier Fernwärme?

 

Die Stacheldrahtzäune, standen die unter Strom?

Dame, um die 70

Wo war diese Frau in den letzten 70 Jahren ihres Lebens gewesen? Ein moderner Kaspar Hauser? Oder bildungsfern eingeschlossen?

Die Fragen der anderen waren ähnlich sprachlos machend:

Gibt es eine Statistik, wie viele Menschen sich hier mit Hilfe der Elektrozäune umgebracht haben?

Dame, ca. 50

Wozu? Dumme Kuh. Ein „unwertes Leben“ weniger und Zyklon-B bzw. eine Kugel gespart.

Wieso sind die bei der Ankunft an der Rampe nicht einfach weggerannt?

Mann, um die 40

Weil sie unfassbare Angst bei der Ankunft an der Rampe gehabt haben müssen, du beschissener Idiot. Tagelang eingepfercht auf engstem Raum, ohne Essen, ohne Wasser, ohne Toilette. Sterbende Menschen links und rechts. Die Güterzüge öffnen sich, gleißende Scheinwerfer, Hunde, Soldaten, Befehle, Geschrei, Schüsse. Wo sollen man da hinrennen?

Wieso ließen sich so viele Menschen (100.000) von so wenig (8000) im Schach halten?

Mann, um die 40

Weil überall Elektrozäune waren und der Kapo dich nur bei dem Gedanken an den Versuch schon halbtot geschlagen hätte? Da man mit einem ausgeklügeltem System aus Wachtürmen, abgerichteten Hunden und Schikane mit wenigen Menschen sehr viele in Schach halten kann? Weil man sich vorher erst vereinen und absprechen muss, was nicht möglich war?

Offensichtlich muss es definitiv noch viel mehr Dokumentationen über solche Lager wie Auschwitz-Birkenau geben, damit Menschen endlich verstehen.

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