Die Rückfahrt von Sardinien

Die Überfahrt von Olbia nach Livorno

von | Okt 9, 2019

Dies ist mein letzter Tag auf Sardinien. Heute Abend werde ich zurück nach Olbia fahren. Aber zuerst verbringe ich noch einen Tag mit meinen Freunden aus Berlin, die gerade auch hier Urlaub machen.

Wie jeden Morgen checke ich erst einmal das heutige Wetter und was sonst so in der Welt passiert ist. Dann kann man immer entscheiden, ob man vielleicht doch lieber im Bett bleibt.

Das ist heute eher schlecht, denn es geht ja zurück aufs Festland. Gemäß Wetterbericht soll es heute noch stürmisch und wolkig werden. Dass passt ja zu meiner Überfahrt übers Mittelmeer.

In meinem kleinen fensterlosen Zimmer bekomme ich jedoch nichts von dem Wetter draußen mit und öffne  entsprechend zögerlich die Tür.

Draußen wartet jedoch lediglich eine Katze und die Sonne auf mich. Vielleicht hat es Katzen und Hunde geregnet? Das fängt ja gut an. Ich gehe noch eine letzte Runde durch die Ferienanlage, um mich von ihr zu verabschieden. Langsam hält auch hier auf der Insel der Herbst Einzug.

Ich packe meine sieben Sachen und verlasse mein Zimmer. Ein letzter Blick, wie jedes mal, ob ich nichts vergessen habe und weiter geht´s.

Ich verabschiede mich bei der Schlüsselübergabe von V. dem Rezeptionisten, mit dem ich vor zwei Tagen einen wunderbaren Abend verbracht hatte. Wir drücken uns und wünschen uns nur das Beste.

Der Hund

Zufrieden lächelnd gehe ich zu meinem Auto, als plötzlich ein großer weißer Hund auf mich zugesprungen kommt. Sanft beißt er mich in die Hand und will mir die Autoschlüssel wegnehmen. Ich muss lachen, denn er versucht offenbar, mich hier zu behalten und mich von meiner Überfahrt abzuhalten. Das geht doch aber nicht.

Also knuddel ich ihn richtig dolle und wir albern herum. Beim Auto will er gar hineinspringen, denn das macht ja auch Sinn, es ist ja ein sogenannter Hundefänger.

Also erkläre ich Hundi, dass ich jetzt los muss und setze mich in mein Auto. Ich wende das Auto und passiere noch mal den mich beobachtenden Hundi. Da läuft er stur los und stellt sich genau vor mein Auto. Ich rufe ihn her und erkläre ihm meine aktuelle Situation. Er guckt mich an und geht extra langsam vor dem Auto auf die andere Seite. Er will mich einfach nicht gehen lassen.

Der Strand

Zum Abschied fahre ich noch einmal zum Strand unterhalb der Ferienanlage. Auf dem Parkplatz stehen ein paar Camper, die hier heute übernachtet haben, der Parkplatz ist dafür perfekt geeignet.

Als ich wieder in meinem Auto sitze und das Radio anmache, kommt mein derzeitiges Lieblingslied, welches ich aber bisher nur in Berlin im Radio gehört habe. LP mit „Girls go Wild“. Ja, das mache ich jetzt.

Playlist für deinen Italien-Roadtrip:

Danke, dass du bis jetzt mitgelesen hast. Ich habe dir hier noch schnell die Playlist, die ich während dieses Roadtrips erstellt habe, eingebettet.

Immer, wenn mir ein Lied gefiel, habe ich es shazamt und hinzugefügt.

Klicke auf play und lies weiter:

Verrückt, Steffen und ich sind also wieder vereint, erst der Hund und dann das Lied. Alles klar, kann los gehen!

Freunde

Ich fahre nochmal zu meinen Freunden, denn sie hatten mich gestern nochmal ausdrücklich zum Frühstücken eingeladen, da lass ich mich nicht zweimal bitten.

Wir frühstücken in der Sonne und ich nutzniese von deren WLAN. So kommt mein letzter Blogeintrag zustande.

Irgendwann beschließen alle aufgrund des angesagten schlechten Wetters nicht baden sondern an die Costa Smeralda zu fahren. Man möchte dort die Schönen und Reichen beobachten. Da meine Fähre erst 21:30 Uhr abfährt, komme ich spontan mit.

So habe ich heute noch mal die Möglichkeit, dieselbe Strecke wie heute vor exakt 4 Jahren mit Steffen, mit Freunden zu fahren. Das tut dann auch nicht ganz so weh.

Nach einem kurzen Rundgang und der Feststellung, dass keine Reichen da sind, sondern nur öde Boutiquen, in welchen man sich Reichendevotionalien kaufen kann, entschließe ich mich, zur Fähre zu fahren, denn ich will noch Dinge einkaufen, bevor ich mich auf die Überfahrt begebe. Wir verabschieden und drücken uns alle. Ach, was für tolle Freunde ich doch habe.

Olbia

Ein letztes Mal fahre ich Richtung Olbia und kaufe im riesigen Supermarkt Auchan Dinge ein. Außerdem brauche ich noch ein paar Snacks für die Überfahrt, da ich nicht glaube, dass es um 22:00 Uhr noch etwas auf der Fähre für mich zu essen gibt.

Dann fahre ich Richtung Hafen um zu schauen, ob die Fähre pünktlich ist. Und siehe da, 19:00 Uhr kommt die Fähre an und parkt rückwärts ein.

Der Mond steht am Himmel und von meinem abgeschiedenen Beobachtungsposten proste ich Steffen (Mond) mit meiner Weißwein-Sprudel-Mischung in der Plastewasserflasche an. Auf die letzten Meter ist es jetzt auch egal, ob ich angetrunken bin.

Die Überfahrt

Kontrolliert fahre ich also zum Fährhafen und lasse mich einchecken. Parallel verdrücke ich ein Sandwich und Kekse.

Diesmal sind viel mehr Menschen als auf der Hinreise an Bord. Das irritiert meine zarte Autistenseele ein bisschen, da alle leicht gestresst obendrein ihre Plätze für die acht Stunden lange Überfahrt suchen. In meiner aktuellen „easy, das wird schon“ Haltung gehe ich still beiseite.

Ich habe mir einen Ruhesessel für die Überfahrt reserviert. Der befindet sich in einem engen kleinen fensterlosen Raum, der einem Bus nachempfunden ist und selbst die Sitzplätze sind wie im Bus angelegt sind. Es ist schweinekalt hier drin, da die Klimaanlage konstant läuft und die ganze Zeit ruckeln Menschen aufgeregt an den Lehnen herum und stellen fest, dass man diese nicht verstellen kann. So eine Unruhe!

Mir wird klar, dass dieser Raum nicht mein Ort für diese Nacht und für diese Überfahrt wird.

Also gehe ich zurück auf das Oberdeck, auf welchem ich schon zufrieden meine Hinfahrt verbracht habe. Ich hatte etwas gehofft, dass hier Sonnenliegen für die Nacht aufgestellt wurden, damit man sich dort über Nacht drauflegen kann. Dem ist leider nicht so.

OK, scheißegal. Ich schaue auf den Mond und trinke meine Weinmischung mit mir selbst. Wird schon irgendwas irgendwie werden.

Endlich legt das Schiff ab und alle Passagiere stehen am Heck und schauen zu. Ich auch. Aber es sind noch nicht so viele Passagiere, dass das Bug nach oben geht und wir motorbootmäßig ablegen. Dennoch imposant das Ganze.

Das Pärchen

Links unten in der Ecke auf dem Deck unter mir sehe ich dieses frisch verliebte Pärchen um die 20. Der ältere Herr neben mir auch. Verstohlen beobachten wir die Schiffsabfahrt und etwas neidisch das wild knutschende Pärchen.

Die beiden sind unglaublich verliebt und wunderschön. Sie dunkelhaarig und leicht spanisch anmutend und er eine Mischung aus Pierre Cosso und Kurt Cobain. Mit 20 Jahren wären mein Herz und ich auch an ihn verloren. So wie ihr Herz gerade verloren ist.

Etwas später kommt eine Durchsage: aufgrund der starken Winde und der wilden See sind die Außendecks während der Überfahrt für die Passagiere gesperrt. Also keine Chance, nachts hier draußen schlafen zu können.

Ich gehe nochmal durch das Schiff, doch alle Sofas und Bänke sind belegt. In einem Saal sitzen und liegen zig Menschen wie auf der Carpathia, kurz nachdem die Titanic gesunken ist.

Nein das möchte ich nicht. Auf meinem Weg begegnet mir das Mädchen von dem Pärchen, ich halte ihr die Tür auf, da sie sich mit einem Koffer herumkämpft. Wir reden kurz über die abstruse Schlafsituation.

Ich gehe zurück zur Außenbar, welche verrückter weise in diesem Sturm und bei diesem Seegang noch geöffnet hat. Ich kaufe mir Rotwein, esse meine mitgebrachten Oliven und amüsiere mich, wie die Kerne im hohen Bogen durch den starken Wind fetzen. Die Gischt der Wellen schlägt bis hier hoch, mein Gesicht wird salzig. Ich proste Steffen zu, grinse dämlich und feier mich.

Es wird immer leerer. Am Nachbartisch nimmt das Pärchen Platz.

Als ich meinen Müll wegbringe, laufe ich an ihnen vorbei. Ich lächle ihr zu. Da sagt er zu mir „Willst du ein Bier mit uns trinken?“ klar, da sag ich nicht nein.

Wir sitzen und quatschen, ich hole noch mehr Bier. Bald sind wir allein, wir sind uns so sympathisch. Sie sind wie ein Spiegel, sie ist wie eine Version der Dana, die ich mal war und er trägt diese wunderbar furchtbare selbstzerstörerische Natur eines jungen Mannes in sich, den ich mal kannte, der verzweifelt versucht, seine Sensibilität und Intelligenz mit Alkohol und Drogen zu betäuben.

Die ganze Situation ist wie ein Spiegel durch Raum und Zeit. Und so benehme ich mich auch.

Die Außenbar wird nun doch geschlossen, denn es ist Mitternacht. Nur die Bar im Schiffsinneren ist noch geöffnet.

Das Schiff möllert groß und schwer durch das aufgewühlte Meer. Der Schiffsdieselmotor grummelt sanft unter Deck. Das ganze Schiff wogt sanft. Alles schwankt, ich auch.

Ale Menschen im Schiff schlafen. Wir gehen von Deck zu Deck, vorbei an schlafenden Menschen, die überall auf irgendwelchen Bänken und Sofas liegen. Dazwischen liegen auch ein paar Hunde, die zu den Menschen gehören.

Alles ist irgendwie surreal, wie in einem Steven King Buch. Ein verrücktes Paralleluniversum ohne Raum und Zeit. Es ist auch ein bisschen wie in diesem Horror-Film Ghost Ship.

Wir finden nun die Bar im Schiffsbauch und trinken noch einen Whisky. Aber nun verabschiede ich mich von den beiden, denn morgen muss ich ja mit dem Auto weiter fahren, das geht nicht betrunken. Ich muss wirklich ein bisschen schlafen.

Die Bar befindet sich in diesem Spiegelsaal

Alle möglichen Schlafplätze sind belegt, also suche ich mir eine Lücke zwischen den Sesseln in der Mitte, Rolle meinen Schlafsack aus und schlafe 4 Stunden. Wie ein Wild in der Savanne, rolle ich mich zwischen den Sesseln, den Gräsern der Zivilisation, ein.

Um 5:00 Uhr werde ich wieder wach. Ich kaufe mir einen Kaffee und schleiche auf das windige und eiskalte Deck.

Langsam laufen wir in Livorno ein und ich beobachte den Sonnenaufgang.

Was für eine Nacht. Ich bin sehr stolz auf mich und dankbar für diese Erfahrung und dass ich diese Überfahrt so ganz allein und so cool gemeistert habe.

Ich grinse leise und glücklich in mein durchfrorenes Ich.

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