Interviews
Letzte Woche Mittwoch ist meine Omi gestorben. Und am selben Tag hatte ich ein wunderbares Interview mit der lieben Eva vom Trauer-Radio. Ein ganz normaler Tag in meinem Leben mit der kompletten emotionalen Bandbreite.
Meine Omi ist in dem für mich – noch – unglaublichen Alter von 89 Jahren gestorben. Sie hat also 49 Jahre länger als Steffen gelebt. Mit 49 Jahren hatte meine Mama ihren Hirnschlag und wurde für immer aus ihrem gewohnten Leben gerissen. Schon wieder ist alles irgendwie verbunden. Meine Omi hatte also zwei Leben in ihrem einen Leben. Eigentlich drei. Aber dazu später mehr.
Und auf was für ein Leben meine liebe Omi dabei zurückblicken konnte … Darüber werde ich in den nächsten Blogeinträgen schreiben, denn so ein Leben passt auf keine Kuhhaut (Omi war Stier – ich auch) geschweige denn, in einen Blogeintrag.
Omis Tod
Wie gehe ich aber mit aktuell Omis Tod um? Oder wie letztens ein Nachbar sagte „Mensch, immer wenn ich euch frage, wie es euch geht, ist wieder jemand gestorben“.
Jedoch ist mit 89 Jahren sterben absolut legitim. Und ich freu mich für meine Omi, dass sie diese Welt jetzt hinter sich lassen konnte, da sie in den letzten 2 Jahre schon komplett in die Demenz abgedriftet ist. Jedesmal antwortete sie auf die Frage, wer sie ist und wo sie sich gerade befindet, antwortete sie stets: „na auf der Fuchsstraße“. Eigentlich lebte sie in ihrem Geist schon die ganze Zeit auf der anderen Seite, in ihrem selbst erwählten Paradies. Auf dieses Paradies werde ich später noch mehr eingehen. Und nun ist sie endlich durch die Tür auf die andere Seite gegangen. Dort ist es für sie schöne als hier, deswegen bin ich nicht traurig, ich freu mich für sie.
Und wie immer bewahrheitet sich auch jetzt: die große Trauer der Hinterblieben existiert wegen der nicht ausgenutzten Momente, der zu wenigen Besuche, der verpassten Möglichkeiten und der vielen Fragen, die nicht gefragt wurden.
Die Fragen danach, wie das denn eigentlich damals war. Damals auf der Fuchsstraße. Warum ist das das Ideal für Omi? Warum war dieser Ort der safe place?
Und während ich so an diesem heißen Sommertag die Grobfassung schreibe, stelle ich fest, Omis Leben passt niemals in nur einen Blogeintrag. Das wird ihrem Leben einfach nicht gerecht. Also werde ich hier versuchen, halbwegs meiner Omi genüge zu leisten und ich merke schon, ich werde diesen Blogeintrag splitten müssen. Seid mir deswegen bitte nicht böse, das hält auch die Spannung aufrecht.
Und während ich mich so durch die historischen Fakten für Omis Blogeintrag wälze, meldet sich die Eva vom Trauerradio bei mir und teilt mir mit, dass mein kleines Interview heute online geht, also genauer gestern.
Genauso, wie wir beide an diesem Mittwoch bei mir zuhause beisammen saßen, um das Interview zu führen und ich ihr dabei sagte, dass heute meine Omi gestorben sei, genauso sind auch gestern wieder diese beiden Themen miteinander verwoben worden.
Mit meinem Papa hatten wir ausgemacht, 20:15 Uhr an diesem 29. Juli 2020 auf Omi über die Ferne anzustoßen. Eva hatte ich nichts davon gesagt, ich wollte das Interview nicht unterbrechen. Alle Handys waren im Flugmodus, damit nichts stört. Und punktgenau, ohne es geplant oder abgesprochen zu haben, waren wir exakt 20:16 Uhr nach einer Stunde mit dem Interview fertig. Magic.
Das Interview
Eva ist genauso wie ich eine Krebsüberlebende – also eine, die ihren Partner an den Krebs verloren hat. Und wäre das nicht schon genug, hat sie auch noch ihre Mama im Alter von 15 Jahren durch Suizid verloren.
Unabhängig voneinander haben wir beide festgestellt, dass nur jemand, der diese buckelige Straße der Trauer bereits halbtrunken entlanggestürzt ist, wahrlich verstehen kann. Das soll bitte nicht arrogant klingen! Seid froh, wenn ihr diesen Zustand noch nicht kennt. Aber das ist ja wie mit Gesprächen über Kinder und Geburt, nur die, die es erlebt haben, sind wissend.
Eva hat neben dem Trauer-Radio.de auch noch einen eigenen Blog „Das erste Trauerjahr“ in welchem sie Trauernde durch dieses erste schlimme Jahr führt. Sie ist ein alter Hase auf dem Büchersektor und hat schon mehrere Bücher zum Thema Trauer geschrieben – hätte ich das mal eher gewusst … Aber so haben wir uns die ganze Zeit Dinge zu erzählen und daher benötigte dieses Interview auch zwei Anläufe an zwei Tagen, da wir uns immer verquatscht haben.
Aber jetzt bin ich Besitzerin eines fantastischen Linsensalatrezeptes – das folgt hier noch – und konnte Eva auch noch als Dank bei mir zuhause bekochen. Über diesen Link kommt ihr zum Interview.
Omi war – natürlich – auch eine Koryphäe am Herd. Ihr Rotkraut war immer selbstgemacht, ihre Bouletten, die bei uns in der Gegend Gewiegtes oder Gewiegtebrotl heißen, mega und außerdem war sie die Königin der kalten Buffets. Sie hat damit bei mir die Liebe zu Buffets entfacht.
Rauschende Familienfeiern wurden abgehalten. Verwandte brachten jeweils zwei bis drei Buttercremetorten mit zur Feier. Im Nachbarraum wurde auf einem riesigen Tisch das Buffet aufgebaut. Es gab gefüllte Eier mit Kaviar (jaja, gab es auch in der DDR), Schinkenröllchen, gegrillte Hühnerbeinchen und Kartoffelsalat. Zum Entsetzen aller habe ich die Hühnerkeulchen alle allein gegessen und mich damit gebrüstet, dass ich 16 Stück verdrückt habe. Mit 8 Jahren. Deswegen bin ich wahrscheinlich so groß geworden …
Nun saßen wir also zu dritt im Garten auf der Hollywood-Schaukel im Schatten unter den Apfelbäumen. Opi winkte derweil ab und ging seine Sachen machen „ach, na quatscht ihr Dreie mal allein“.
Gespannt fragten wir zwei nun meine Omi aus:
„Omi, wie war das denn nun damals mit dem russischen Soldaten?“
Sascha
„Na wie schon, nüscht weiter!“ Aus dem „Nüscht weiter“ wurde dann eine unglaubliche Geschichte, die ihr in meinem neuen Blogeintrag weiterlesen könnt.