Modena

Modena

von | Jun 13, 2021

Heute geht es weiter nach Modena. Die Stadt zwischen Parma und Bologna. Für Fressnerds wie mich, ein absolutes Paradies auf Erden, kommt doch alles Gute von hier: Parmesan, Parmaschinken, Bolognese und Balsamicoessig. Aber wie ist es nun hier?

Der Check-out in meiner B&B Unterkunft in Pavia verläuft reibungslos, in mein Auto wurde auch nicht eingebrochen. Meine in Berlin kultivierte Art des fahrenden Saustalls funktioniert auch in Italien. Wer will schon einbrechen, wenn es aussieht, als wäre schon jemand dagewesen?

Schon auf der Fahrt nach Pavia sind mir die schier unendlichen Risotto-Reisfelder rings um Pavia aufgefallen. Nicht von ungefähr befindet sich daher die dir wahrscheinlich auch bekannte Risotto-Marke Scotti. Und siehe da, am Ortsausgang gibt es einen Fabrikverkauf. Das merke ich mir für das nächste Mal!

Also geht es heute ab nach

Modena

Die Stadt Modena liegt inmitten der Emilia-Romagna in den unendlichen Weiten der flachen Po-Ebene. Nein, das ist kein Widerspruch in sich.

Ich hatte hier auf meinem Blog schon damals vor zwei Jahren ausführlich über diese faszinierende Gegend geschrieben. Also führt mich auch heute die dreistündige Autofahrt quer durch die Ebene, nur abgebremst von LKWs, die aus den Parmesankäsereien kommen, schwer und mit Parmesan vollgeladen. Oh mein Gott, ein rollender Traum. Schon Boccaccio schrieb in seinem Decamerone von seiner Version des Schlaraffenlandes, in welchem Menschen auf einem Berg aus geriebenem Parmesan stehen, von welchem sie Makkaroni und in Brühe aus Kapaun gesottene Ravioli herunter rollen, so dass sich um die Pasta Schichten von Parmesan kleben, die man sich dann am Fuße des Berges nur noch in den Mund stecken muss. Das ist ein Paradies, welches ich im Gegensatz zur Variante mit dem Grießbrei durchaus verlockend fände.

Leicht paralysiert folge ich ohne nachzudenken und fremdgesteuert dem LKW im Schneckentempo. Hmmm, Parmesan! Aber auch ich komme dennoch irgendwann in Rubiera, einem Vorort von Modena, an.

Unterkunft

Meine Unterkunft habe ich diesmal im Hotel Aquila D`Oro gewählt. Der Grund hierfür ist, dass das dazugehörige Restaurant im Guide Michelin auftaucht und ich mir vielleicht dieses Menü gönnen wollte. Das Hotel selbst ist mit 65 EUR pro Nacht preiswert, es klingt also nach einer idealen Kombi für jemand Fressaffines wie mich.

Als ich ankomme, steht hinter der Rezeption der, denke ich mal, Majordomus. Vielleicht ist es auch der Geschäftsführer. Auf alle Fälle hat er hier das Sagen, man merkt es daran, wie sich alle Angestellten um ihn herum wegducken. Sieht also nicht aus, als wenn er bei Kununu die besten Punkte bekommt.

Er sieht aus wie diese typischen italienischen Männer zwischen 50 und 60. Er hat einen akkuraten Kurzhaarschnitt, graumelierte Haar, einen Bart. Natürlich die obligate teure Markenbrille und seine Kleidung ist auch nicht billig. So weit, so gut und überhaupt kein Problem.

Aber das Problem kommt jetzt: als ich an die Reservation trete, beäugt er mich wie ein komisches Insekt, sagt kaum guten Tag und fragt nur „do you have a booking“ und übergibt mit einer angewinkelten Handgeste an seine freundlichere Kollegin. Erinnerst du dich an „Der Teufel trägt Prada“? Genau so. Ein ekliges Gefühl, aber ich bin derartige männliche Zicken durchaus gewöhnt und ich habe sie gefressen wie Schmierseife. Die Zimmermädchen haben alle dubiose Kostüme an, die ich in Berlin in anderen Etablissements eher erwarten würde. Hier hat also eine männliche Prinzessin das sagen. Nun, jeder wie er möchte.

Die sehr nette Dame am Empfang bemüht sich derweil um Freundlichkeit, aber die arrogante Art des Schnösels wabert durch den Raum, strahlt auf sie ab und widert mich direkt an. Sie fragt mich freundlich, ob sie mir einen Tisch für abends reservieren soll. Aber mir vergeht die Lust, mindestens 50 EUR für ein Essen zu bezahlen, wenn ich hier gerade so behandelt werde.

Ist dir schon mal aufgefallen, dass sie dort am freundlichsten sind, wo es am billigsten ist? Also beispielsweise der Gemüsemarktverkäufer, die Bäckerin in der Dorfbäckerei usw. (natürlich nicht alle) und dann geh mal in einen Luxusladen auf dem Kudamm. Dafür, dass du die Götzen des Mammon verehrst, bekommst du auch noch auf die Mappe und darfst freundlich rückwärts auf dem Bauchnabel mit deinem Gucci-Gürtel herauskriechen.

Klar zahlen viele Leute viel Geld, um endlich einmal dazugehören zu dürfen. Aber Leute, die wirklich viel Geld haben und längst dazu gehören, lächeln darüber nur. Wenn ich irgendetwas in meinem Leben begriffen habe, ist es das, dass man wirklich reichen Menschen dies nicht ansieht. Und wenn dieser Pfeifenkopf hier meint, als Angestellter in einem besseren Restaurant etwas Besseres als sein Kunde zu sein und das unterm Strich als Dienstleister, verzichte ich gerne auf eben diese und kann über seine Torheit nur milde lächeln, denn wie immer habe ich mir Plan B zurecht gelegt:

Ristorante Laghi

In der Nähe gibt es das Vogelschutzreservat rund um den Fluss Secchia in dessen Mitte sich das Ristorante Laghi befindet. Umgeben von türkisfarbenen Teichen befindet sich hier eine traumhafte Gegend.

Also sattele ich wieder mein Rad und fahre in der brütenden Sommerhitze querfeldein. In der Ferne dräuen gigantische Gewitterwolken, Weizen wiegt von Mohnblumen durchbrochen im warmen Wind. Wieder fahre ich atypisch im Kleidchen. Mürrische Radfahrer kommen mir entgegen. Immer dasselbe. Die sind hier alle ein bisschen mürrisch, das fällt mir im Gegensatz zu vor zwei Jahren auf. Aber auch egal, ich sehe die alle nie wieder.

Irgendwann komme ich mit dem sehr netten Kellner länger ins Gespräch, ein Wort ergibt das andere. Es geht um David Bowie, Studio Goblin, Dario D´Argento und Suspiria – also genau meine Themen.

 

Nach einer dreiviertelstündigen Fahrt vorbei an verschiedenen Wehren, Staumauern und Vogelschutzinseln komme ich beim Ristorante an.

Es ist gegen drei, nicht die übliche Mittagszeit, die gerade noch vorhandenen vier Gäste verabschieden sich schnell. Ich bestelle Wasser, ein Vino Frizzante und Gnocchetti mit Schinken.

Statt der von mir nun erwarteten Pasta stellt sich das Essen als etwas vollständig anderes heraus. Wie ich später erfahre, sind es in Schmalz frittierte Teigkissen und kleine Brötchen aus Brandteig, welcher ebenfalls aus Schmalz gemacht wurde. Dazu gibt es feinen Schinken, Salami und Mortadella.

Ein typisches Männeressen halt und nichts für Veganer. Gemüse fällt wieder einmal aus.

Ich frage ihn irgendwann nach einem guten Balsamico-Produzenten. Schnell empfiehlt er den örtlichen Hersteller, welcher sich nur 7 Minuten mit dem Fahrrad entfernt befindet. Der Koch ruft den Balsamico-Produzenten an, ob sie möglicherweise Zeit für mich hätten, was natürlich bestätigt wird. Der Kellner, Diego, warnt mich noch vor, dass sie wahrscheinlich kein englisch können. Mit wehenden Rockschößen fahre ich wie weiland Amelie davon.

Aceto Balsamico

Wenige Minuten später rolle ich mit meinem Drahtesel auf dem alten Gutshof ein. Die beiden alten Herren freuen sich über den Anblick. Sofort wird meine Anreise mit dem Fahrrad entsprechend kommentiert. Wenige Minuten später rollt ein ehemaliger General aus der Nachbarschaft auf den Hof. Er wurde extra angerufen, weil er englisch kann.

Nun führen mich die drei Herrschaften durch das ganze Refugium. Was für ein Spaß, wenn man das mal von außen betrachtet! Aber nun zum Balsamicoessig. Er führt mich auf den Sottotetto, der für die Herstellung des Balsamico so wichtige Dachboden. Dieses Verfahren der Essiggewinnung gibt es nur hier in der Gegend um Modena. Nur hier gibt es die richtige Temperatur bzw. Temperaturschwankung für die Reifung des schwarzen Goldes.

Der Sottotetto ist der Dachboden im Süden des Hauses, auf welchen es im Sommer richtig heiß und im Winter nicht zu kalt wird. Diese Bandbreite des Temperaturwechsels sorgt für die idealen Rahmenbedingungen, unter welchen der Balsamico bis zu 25 Jahre lang reift.

Er zeigt mir die alten Fässer aus Eiche, Kastanie, Wacholder und Kirsche, welche jedes einen anderen Geschmack erzeugt. Die Fässer dürfen niemals trocken werden, immer wir neu reduzierter Essig hineingegeben, so dass sich die Aromen aus Jahrzehnten vermischen. Fermentation in Perfektion. Manche Fässer hat er sogar noch von seiner Großmutter aus dem 18. Jahrhundert übernommen, erklärt er mir stolz.

Was für ein Kunstwerk! Was für ein Talent!

Und ich bin mittendrin und darf am Ende den wahrlich edlen Tropfen verkosten.

Der Geschmack wirft mich fast um: leicht süßlich, sirupig und einem dezenten Hauch Umami mit einem unfassbaren Körper aus Geschmack durch die Reifung in den alten Fässern. Am besten genießt man den 25 Jahre lang gereiften Balsamicoessig mit Käse, auf Eis, zu Erdbeeren oder frittierten Zucchiniblüten.

Nach der Verkostung fahre ich unfassbar glücklich wieder zurück ins Hotel. Auf dem Marktplatz vor dem Restaurant gönne ich mir noch ein Bierchen. Alle sind hier in der kleinen handmade Burgerbutze freundlich zu mir, ich fühl mich wohl. Als ich später mit meiner Wasserflasche zum Hotel schlendere, ist das Restaurant des Hotels gähnend leer.

Die Stadt Modena

Am nächsten Tag fahre ich morgens den bestellten Balsamico-Essig für meine Freunde wie vereinbart abholen. Der Essig-Mann wundert sich, warum ich als deutsche ein französisches Auto fahre, hier schlägt mir die Bewunderung für alles Deutsche sehr entgegen. Ich erkläre ihm, dass all meine bisherigen deutschen Autos, die ich besaß, nur Probleme gemacht haben und dies das erste Auto in meinem Leben ist, auf welches stets Verlass ist. Außerdem passt mein Fahrrad rein und all der Balsamicoessig. Das Argument zieht.

Weiter geht es nach Modena, schnell das Auto abgeparkt und mit dem Fahrrad in das Innere der Stadt gefahren. Gleich am Eingang befindet sich der riesige Palazzo dei Musei mit einer Gemäldegalerie. Also als erstes wieder Kunst und vor der Sonne flüchten. Mein Fahrrad schließe ich direkt an der Kirche an, da ist es sicher. Als ich danach das Museum wieder verlasse, befindet sich mein Rad inmitten einer Hochzeitsgesellschaft, die darauf wartet, dass das Brautpaar die Kirche verlässt. Also gehe ich lieber etwas Essen.

Danach schlendere ich durch die wahrlich schöne Stadt – immer an der schattigen Wand entlang. Besonders schön ist der Dom, es gibt eine Synagoge und die riesige Militärakademie die sich im Palazzo Ducale befindet hat auch einen eigenen Sottotetto für ihren Balsamicoessig. Dieser befindet sich oben rechts im Bild, hat mir der Essigverkäufer erklärt.

Genug von Modena gesehen, ich freue mich auf morgen.

 

 

Risotto Nero und der

Mercado Albinelli

Die Italiener nach Covid

Generell fällt mir auf, dass die Italiener sehr reserviert sind. Nur wenige sind freundlich. Allen steckt der Schock von Covid tief in den Knochen. Es fühlt sich an, als würde der Stadt Trauer tragen. Kaum einer lacht, ich vermisse die Leichtigkeit. Natürlich kann ich das alles nachvollziehen, wenn nicht ich, wer dann.

Aber alle, mit denen ich ins Gespräch komme, sind irgendwie desillusioniert. Sie schimpfen auf die Globalisierung, Glyphosat, genmanipulierte Produkte aus Südamerika, die lasch kontrolliert werden, die Regulationswut der EU und die Regulation der Regierung in Rom und abschließend über die Unfähigkeit der Menschen, guten Geschmack zu erkennen und dass die jungen Menschen die großen Franchise-Unternehmen den echten Restaurants vorziehen, da alle keine Zeit mehr für gutes Essen haben. Also unterm Schnitt sind alle am Jammern und hoffnungslos. Das stimmt mich etwas traurig aber aus eigener Erfahrung weiß ich, das geht auch vorbei.

Aber mein Mantra „akzeptieren – adaptieren“ nutzt hier gerade in diesem Stadium überhaupt nichts. Also höre ich mir das alles an, nicke und fahre weiter. Corona ist eine kollektive traumatische Erfahrung für die meisten Menschen und jeder steckt es anders weg. Nur die wenigsten konnten es als Chance oder willkommenen Rückzugsort wahrnehmen. Es kommen noch abenteuerliche Zeiten auf uns zu.

Nachtrag

Als ich am Nachmittag diesen Blogeintrag erstellte, keimte die Idee in mir auf, zu Abend noch mal im Su Laghi zu essen. Gesagt, getan und hingefahren. Nachdem ich wie ein Depp um das Restaurant trampelte, hatte irgendwann jemand Erbarmen mit mir und teilte mir mit, dass das Restaurant komplett ausgebucht wäre. Samstagabend und so. Was tun?

Also fuhr ich wieder zurück und trat meinen persönlichen Gang nach Canossa an: ich fragte an der Rezeption nach einem Tisch. 

Pünktlich 21:00 Uhr stand ich wieder auf der Matte, denn erst dann war der erste Tisch wieder frei. Ich bestellte lediglich Tagliatelle Bolognese, denn ich wollte einmal das phänomenale Essen kosten.

Im Restaurant saß die Haute Volée der Gegend, italienische Familien, die mal eben für mindestens 60 EUR pro Nase mit Kind und Kegel essen gehen konnten.

Die Speisen wurden auf Wagen vorgefahren und am Tisch angerichtet. Es gab Variationen von Fleisch, Antipasti und Pasta. Alles war wunderbar hausgemacht und sah köstlich aus. Meine frischen Tagliatelle waren auch wunderbar.

Und da kam mir die Erkenntnis, dass die Speisen von der selben Qualität wie in unserem Catering waren: handmade, frisch und mit sehr guten Zutaten. Wir hätten gut und gerne das Doppelte verlangen können… verdammt.

Nun, so ganz bin ich mit der Essensgeschichte noch nicht durch, vielleicht private Soirées mit Lesungen? Was meinst du?

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