Oberlausitzer Brauchtum die Vogelhochzeit

Vogelhochzeit

von | Jan 22, 2020

Ein kurzer Ausflug in meine alte Heimat: die Oberlausitz. Ich stelle euch einen alten Brauch vor: die Vogelhochzeit und die Fassnacht. Ein Brauchtum aus meiner unbedarften Kindheit und eine kleine Abhandlung darüber, was der Oberlausitzer Dialekt ist.

Steffen hat sich immer kaputtgelacht, wenn ich ausnahmsweise ganz heimlich und nur für ihn in unseren vier Wänden mit meinem Oberlausitzer Dialekt losgepoltert habe. Ja, richtig gehört: losgepoltert. Der Oberlausitzer Dialekt klingt beim Aussprechen so, als würde ein voller Kohlenkasten die Treppe herunterfallen. Oder die Milchkanne mit Steinen drin. Aber da sind wir ja schon fast wieder in der Mongolei und dort direkt bei der Zubereitung einer Delikatesse mit Pferdeinnereien. Ich schweife ab.

Denn heute geht es um die Vogelhochzeit. Um Brauchtum also.

Brauchtum in der Oberlausitz

Meine Kindheit war geprägt von einer feinen Aneinandereihung von feisten Fressterminen.

Gerade eben war noch war Weihnachten, verbunden mit Kalendertürchenöffnen und Tonnen von verputzter Schokolade, dazwischen hatte Nikolaus am 06.12. die sauber geputzten Stiefel mit harten DDR-Lebkuchen gefüllt.

Alle drei Weihnachtsteller (meiner und die beiden Weihnachtsteller meiner Brüder) waren noch nicht ganz von mir heimlich leergefressen worden, lediglich die furchtbaren DDR-Orangengelee-Bonbons lagen überall auf allen drei Tellern immer noch gleichmäßig verteilt herum. Keine Sorge, das Orangengelee würde auch noch bis Ostern aushalten, mindestens. Kein normaler Mensch konnte das essen.

Und schon stand das nächste wichtige Fressdatum auf dem Plan:

Die Vogelhochzeit

Jedes Jahr am 25.01. wird Vogelhochzeit gefeiert. Im Kindergarten zogen wir lustige Vogelkostüme an … jaja, dafür bezahlt man jetzt Eintritt und geht in Berlin in den Kitkat-Club. Noch. Aber eure schmutzigen Gedanken schweifen ab, denn die Vogelhochzeit im Kindergarten war zutiefst unschuldig und wir trällerten dazu im Chor „ein Vogel wollte Hochzeit feiern, in dem tiefen Wahaaldee … tirilalala tirilalala usw. usf.“.

Am Vorabend musste man einen leeren Teller auf das Fensterbrett stellen und oh Wunder! Am nächsten Tag war dieser gefüllt mit kleinen Zuckervögelchen, Baisernestern, Baiservögeln und Crémeringen.

Baiser

Diese Leckereien hatten über Nacht die verrückten Hochzeitsvögel gebracht. Die Baiserdinge heißen bei uns Schmätzl oder Schmoizl. Wichtig ist, dass sie innen noch kaugummiartig und klebrig sind, nicht so furztrocken, wie das Industrie-Baiser. Meine Mama hat mich übrigens immer Schmoizl genannt. Und Schmätzl steht natürlich für Schmatz. Und was heißt Baiser auf Deutsch? Kuss, richtig! Oder halt etwas anderes. Wobei wir wieder im KitKat sind. Wieder was gelernt!

Und jetzt stehe ich beim Bäcker in Oppach und die Auslage ist voller Vogelhochzeits-Zuckerzeug. Alter! Ich dreh durch! Und gut, dass ich jetzt eine Woche lang hier in der alten Heimat bin, denn in den nächsten Tagen werde ich mich daran dumm und dämlich fressen und meinen körperlichen Expansionskurs hart verfolgen.

Hier die beiden besten Bäcker, die ich bisher in meiner Umgebung gefunden habe:

Oppach

Bäckerei-Konditorei Münch
August-Bebel-Straße 12
02736 Oppach

Ebersbach-Neugersdorf

Bäckerei Steffen Scholze
August-Bebel-Str. 17
02730 Ebersbach-Neugersdorf

(Nachtrag: gibt es leider nicht mehr)

Das ist übrigens der sagenhafte Bäcker, von dem Steffen und ich ständig schwärmten und von dem der Kuchen bei der Beerdigung war. Der Backgott der Mohnzöpfe und Milchbrötchen…

Fassnacht!

Das nächste Event steigt dann schon wieder im Februar, denn dann ist Fassnacht.

Zur Fassnacht geht man morgens als erstes zum Bäcker und kauft frische Pfannkuchen, die es in dieser riesigen Auswahl und der einzigartigen Fluffigkeit nur zur Fassnacht selbst gibt. Die Pfannkuchen – anderswo Berliner genannt – sind stehts mit Marmelade gefüllt, bis auf diesen einen, der mit Senf gefüllt ist. Gute Laune!

Im Idealfall ist man bereits am Morgen verkleidet und schlägt so beim Bäcker auf oder man verkleidet sich im Anschluss.

Verkleidungsgeschichten

Meine Verkleidungsevergreen: ich als Indianer, Indianer oder Indianer.

Jedoch dieses eine Mal wollte ich mich zu Fasching als Prinzessin verkleiden. Nachdem ich mir selbst irgendetwas weißes, leichtes, fluffiges als Kleid angezogen habe, was leidlich prinzessinesk war, fragte ich meine Mama, ob sie einen Lippenstift für mich hat. Leider wurde ich von ihr abgewiesen: „Lippenstift habe ich nicht. Geh mal zu Omi.“ Omi hatte eine ähnliche Antwort für mich: „Lippenstift? Beiß Dir doch einfach auf die Lippen, dann werden sie von allein rot“. Dabei kniff sie mir in die Wangen, damit die wenigstens etwas Farbe bekamen. So konnte offensichtlich nie eine Lady aus mir werden …

Und einmal ging ich als Russenmädel mit so einem Ding auf dem Kopf, wie im russischen Märchen. Dem sogenannten Kokoschnik. Meine arme Oma, bei der ich gerade in den Winterferien war… Manchmal wüsste ich gern, was sich meine Oma dabei wohl gedacht haben mag, wenn man bedenkt, dass sie 1945 das Haus voller russischer Soldaten hatte…

Dann kommen die Freunde und holen einen ab. Die Freunde sind natürlich auch alle wild verkleidet. Denn jetzt ging es erst richtig los: man ist dann von Tür zu Tür gezogen und hat überall an den Türen geklingelt. Wenn die Tür geöffnet wurde, musste man diesen Vers vortragen:

„Foaßnachtsnoarrrn wulln oa woas hoan, wulln a Streefl Kuche hoan, wulln a Strefl Speck, denn murne is die Foaßnacht weg“

Oberlausitzer Mundart

Das lass ich mal jetzt so stehen. Wer möchte lösen?

Steffen lacht sich bestimmt gerade wieder auf der anderen Seite kaputt. Polternder Kohlekasten. Sag ich doch!

Wenn man Glück hatte, bekam man dann vom jeweiligen Türöffner eine kleine Süßigkeit oder gar ein Stück Westschokolade! Große Freude.

Es war nicht alles schlecht!

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