Warum sterben die Besten zuerst? Wie soll man in so einer Welt einfach weiter machen. Warum ist die "schwer"-Skala nach oben immer offen?

Warum?

von | Nov 28, 2019

Vor zwei Tagen ist jemand verstorben, den ich nur von Twitter und über Instagram kannte. Sie war verdammt lustig und makaber und sarkastisch. Sie starb, natürlich, an Krebs. Schaut Euch bitte ihren Blog an, sie soll nicht umsonst gestorben sein, ihren Blog findet Ihr hier: Metahasenbändigerin.

Nun wühle ich mich durch ihren Blog und bekomme so viele Fragen beantwortet, die ich gerne noch Steffen gestellt hätte und eine Ahnung davon, wie er sich in seinen letzten Stunden gefühlt haben muss und vor allem sehe ich, was ihm erspart blieb, als er einfach den „Polnischen“ gemacht hat.

Und wieder frage ich mich, WARUM?

Warum stirbt so ein kreativer, lustiger, toller und lebensfroher Mensch, der sich in einer liebenden Beziehung befindet, ein Mensch, der seinen Seelenpartner gefunden hatte.

Warum ist ausgerechnet Steffen, bei der Lesung der Verstorbenen in der Messe am Totensonntag am letzten Wochenende der jüngste Verstorbene in diesem Jahr in diesem Ort? Alle anderen sterben erst mit 70 Jahren aufwärts. Aufwärts wohlgemerkt.

Verdammt, wir hätten mindestens noch 30 Jahre zusammen haben können. Normalerweise.

Warum muss ich mich jetzt damit beschäftigen, wie es arbeitstechnisch für mich weiter geht? Wie meine Zukunft aussehen soll?

Warum muss ich mich mit dem Gedanken auseinander setzen, andere Männer anzusehen und den Markt zu testen? Ich will das nicht, ich will mich nicht damit auseinandersetzen, denn ich bin doch mit Steffen verheiratet, verdammt. Das ist wie eine Aufforderung fremdzugehen!

Warum kann nicht einfach irgend ein Arschloch sterben? Irgendjemanden, der seine Frau und Kinder schlägt, wo alle nachher aufatmen? Oder irgendein satter und selbstgefälligen Politiker, irgendein Fanatist, ein durchgeknallter Stammesführer, irgendein Idiot halt.

Warum trifft es scheinbar immer die Guten? Menschen, die uns inspirieren, Menschen, die liebten, Menschen die Liebe fühlten, Menschen die empathisch sind. Menschen, die noch so viel zu sagen hätten.

Die Warum-Frage

Ich weiß, dass die Warum-Frage eine der übelsten Dinge ist, denn sie startet ein Gedankenrad, welches zu keinem guten Ende führt. Ich vermeide das „warum“ eigentlich immer, eher frage ich „wofür“ und „wozu“, aber nie „warum“.

Aber gerade kann ich nicht mehr anders.

Warum konnte ich mit Steffen nicht einfach einmal ein ganz normales Leben führen? Unsere unsere gemeinsamen Jahre bestanden nur aus Kampf, mit der hoffnungsvoll vorgehaltenen Möhre, „das wird irgendwann gut“.

Warum muss bei mir immer alles extrem sein? Ich wünsche mir so verdammt eine Null-Linie. Einfach mal nichts.

Psychologe

Warum muss ich heute zu einem Psychologen, der feststellen soll, ob ich wirklich einen Knall habe? Ja, ich bin in der Psychotherapie, aber das ist übrigens nicht dasselbe. Musste ich auch erstmal lernen, denn ich habe mich mit sowas noch nie beschäftigt.

Ich bin ein Kampfschwein, denn ich schaffe scheinbar alles. Leider. Aber gerade zerbreche ich daran. Ich brauche meine fucking Ruhe!

Und natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen, ich bin es gewohnt, zu arbeiten. Ich war noch nie arbeitslos und habe noch nie etwas vom Staat bekommen (ja ich weiß, dass die Krankenkasse nicht der Staat ist). Tausende von Euros habe ich in den letzten Jahren an das Finanzamt abgedrückt.

Zwei Tage nach meiner Schilddrüsen-OP haben Steffen und ich gleich wieder ein Hochzeitscatering ausgerichtet. Trotz eines doppelten Bandscheibenvorfalls bin ich täglich mit dem Fahrrad in die Küche zum arbeiten gefahren, weil ich nicht im Auto sitzen konnte und Steffen nicht die Arbeit allein überlassen wollte.

Ich bin eine Maschine, ich arbeite mir den Arsch ab.

Aber gerade sind Steffen und ich mit Karacho gegen die Wand gefahren. Nur ich habe es überlebt. Und ich sehe den Sinn nicht, alleine weiter zu machen.

Wofür, zur Hölle?

STEFFEN IST TOT!

Seit zwei Wochen mache ich mich wegen diesem Psychiater-Termin verrückt, da der Termin verdammt wichtig ist, weil mir sonst die Krankenkasse das Krankengeld streicht.

Hat sie so geschrieben, die Kasse.

Und ja, das können sie offensichtlich machen. Und wenn ich mich streite, habe ich den Stress und nicht ihr. Ich habe gerade keine Energie dafür, aus Gründen, denn ich brauche meine scheiß Ruhe um mit mir selbst klarzukommen und keine Behörden, die mich triggern.

Ich habe nämlich nur noch mich.

Ja und meine Freunde und Familie. Aber zuerst war immer Steffen, dann ich. Wie sagte gestern ein Freund zu mir:

„die Lücke, die Steffen hinterlassen hat, kann niemand von uns schließen und niemand kann Dir Dein Leid abnehmen, Dana“.

Danke T., genau so.

Trauma

Warum ist es kein Trauma, wenn man den Partner verliert, aber sehr wohl ein Trauma, wenn man Kind oder Eltern verliert? Warum gibt es hierfür verschiedenerlei Maß?

Kann es wirklich sein, dass es so viele Durchschnittsbeziehungen gibt, die nur nebeneinander herleben, weil man das eben so macht, das schon immer so war und man so wenigstens nicht alleine ist?

Na klar, dann ist so ein Tod nicht weiter schlimm, dann nimmt man sich einfach den Nächsten. „Der Sohn von der Nachbarin ist doch auch noch Single, der ist doch ganz nett.“

Termin

Drückt mir die Daumen heute 15:00 Uhr.

Nachtrag

Der Psychologe war sehr verständnisvoll und auch entsetzt. Er wird sich jetzt um die weitere nötige Krankschreibung kümmern. Ich bin erst einmal beruhigt und danke Euch so sehr fürs Daumen drücken!!!!!

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