Auf dem Wetmarket in Shanghai

Wet Market in Shanghai

von | Feb 9, 2020

Wie geht es auf einem Wet Market in China eigentlich zu? Wo kaufen die Chinesen ihre Nahrungsmittel ein? Wurden die Chinesen in Wuhan wirklich durch die Fledermaussuppe mit dem Coronavirus infiziert?

Panik!

Die übelsten Horrorvideos kursieren Anfang 2020 im Netz, gekochte Hunde, Kinder, Fledermäuse, alles ist dabei. Leise raunt man in sich hinein, Chinesen, diese Barbaren, das geschieht denen nur recht.

Aber stimmt das denn so?

Wer erlaubt uns denn, die moralische Instanz gegenüber anderen Menschen zu sein? Wer weiß, vielleicht erscheint Chinesen auch einiges absurd, was wir den ganzen Tag so treiben? Vorab die Entwarnung: Man kann sich nicht durch den Genuss von Fledermaussuppe mit dem Coronavirus infizieren.

Köche kennen das Geheimnis längst: alles was gekocht wurde, ist auch wirklich tot. Deswegen gibt es auch keine Virensuppe.

Die Ansteckung erfolgt über Tröpfchen- und Schmierinfektion und dem Genuss von nicht genügend durchgegartem Fleisch. Fleisch mal wieder. Vielleicht hat eine Fledermaus ein lebendes Tier im Markt infiziert, welches dann gegessen wurde. Noch nichts genaues weiß man nicht.

China

Und immer, wenn ich ins Schwärmen über China gerate, spüre ich eine Ablehnung bei meinen Mitmenschen. Worte poltern durch den Raum: Diktatur, Überwachung, keine Meinungsfreiheit, Dritte-Welt-Land, die Chinesen leben doch auf dem Dorf alle in Lehmhütten und essen am liebsten Hundefleisch!

Aus einem mir nicht erfindlichen Grund habe ich eine riesige Affinität zu asiatischen Ländern. Sei es die Mentalität, das leckere und frische Essen oder die schlichte Schönheit der Menschen, der Architektur, der Ästhetik fast aller Dinge dort und der Landschaft.

Wie ich China erlebt habe

China hat mich in seiner Effektivität beeindruckt und stellenweise sprachlos gemacht: wie alles einfach funktionierte! Und welchen technischen Quantensprung dieses Land im Vergleich zu Deutschland hingelegt hat, ich fühlte mich stellenweise wie in einem Science-Fiction-Film.

Dann dieser unendliche Kosmos der Mobilität, die diversesten Apps zum chatten, shoppen, bezahlen. Das ganze Leben wird dort bereits über das Smartphone höchst effizient geregelt. Nerdcore! Selbst irgendwo in der Pampa mitten in den Bergen gab es 4G.

In Deutschland braucht man sich nur 100 km von Berlin entfernen und man ist von der virtuellen Welt entkoppelt.

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Und immer und überall ist es die Meinungsmache, die Menschen andere Menschen hassen lässt. Wenn man sich dann vor Ort mit den Menschen persönlich unterhält und sich auf das Alltagsleben einlässt, bekommt man überhaupt einen Hauch von einem Eindruck, wie es wohl wirklich sein mag. Denn wir Menschen sind alle nicht so schlecht.

Wenn wir uns öfter mal mit anderen unterhalten würden und nicht so sehr damit beschäftigt wären, die ganze Zeit selbst zu senden, würde man auch mehr über die Welt und die Menschen erfahren.

Wet Markets in China

Deswegen möchte ich Euch sehr gerne einmal auf einen Shanghaier Gemüse- und Fleischmarkt, einen sogenannten Wet Market mitnehmen:

Wir hatten das Glück, in Shanghai bei der Familie meiner Schwägerin wohnen zu dürfen.

Danke so sehr dafür!

Und gleich am ersten Tag nach unserer Ankunft vor einem Jahr ging die chinesische Mum mit uns allen zum lokalen Wet Market mitten in einer Wohnsiedlung.

Zunächst sahen wir unterwegs die üblichen Garküchen:

Frische!

Worum es stets in Asien geht, ist die absolute Frische. Das Gemüse ist knackig, die Karpfen sind noch lebendig.

Und dann näherten wir uns dem Markt. Außerhalb des Marktes wurden auch frische handgezogene Nudeln gekauft. Habt Ihr jemals handgezogene Nudeln beim Chinesen gegessen? Die sind unglaublich. Die haben einen ganz speziellen Biss, das bekommt man mit normalen Nudeln leider überhaupt nicht hin. 

Und als wir endlich den Wet Market betraten, gingen uns die Augen über. Jeder, der Kochen und gutes Essen liebt, liebt Märkte. Sobald man einen solchen Markt betritt, beginnt die Fantasie mit einem durchzugehen.

Was könnte ich damit zubereiten? Wofür ist dies? Was ist das?

Geflügel wird hier mit Kopf und Krallen verkauft und auf Wunsch natürlich direkt vor Ort küchenfertig vorbereitet. Genau so wie in Frankreich ist der Kopf noch am Huhn. Das wirkt auf uns Deutsche wahrscheinlich erschreckend, aber eigentlich ist es doch so praktisch: man sieht ob es Huhn oder ein Hahn ist, die Farbe des Gefieders und natürlich die Frische.

Frösche zappeln noch in kleinen Netzen. Die Fische sind maximal einen Tag alt.

Mangels einer Kühlkette in der alten Zeit haben alle Chinesen verinnerlicht, dass die Zutaten knackfrisch sein müssen und noch am selben Tag verarbeitet werden.

So kann man sich auch nicht den Magen verderben.

Schaut mal diesen Bacon an! Guter Bauchspeck muss in China fünf Schichten haben, also Speck, Fleisch, Speck, Fleisch, Speck. Habt Ihr Euch mal in Deutschland den Speck angesehen? Der schafft es maximal auf drei bis vier dünne Streifen. Die armen Schweine leben bei uns normalerweise gar nicht so lange, dass sie überhaupt Fett ansetzen können.

In China essen sie Hunde?

Spoiler: es gab nirgends Fledermaus, Schlange oder Hund zu kaufen.

Auf meine Nachfrage nach Hundefleisch winkte Mum ab „ach, Hundefleisch essen höchstens ein paar dumme Menschen im Norden“

Es gab jedoch eine verstörende Szene:

Außerhalb des Marktes befanden sich Käfige mit lebendigen Hühnern und Tauben. Ein Mann kam mit seinem Moped vorgefahren und kaufte sich eine lebendige Taube. Der Händler nahm eine Zange und knipste der lebendigen Taube den Schnabel ab, damit sie den Mopedfahrer nicht mehr hacken konnte.

„Ja, Barbaren!“ schreien vielleicht einige auf.

Aber was in unseren Schlachtbetrieben so vor sich geht, erfahren wir ja selten. Aber jeder kennt doch Geschichten von gestörten Sadisten, die sich an Tieren auslassen und wie abgestumpft Schlachter werden, wenn sie zu oft Tiere töten.

Unser massiver Fleischkonsum kommt nur daher, dass alles so schön abstrakt in Plaste abgepackt im Supermarkt liegt. Was würde passieren, würden unsere Märkte wie die in China aussehen?

Wie geschockt manche Menschen schauen, wenn man sagt: „ja, meine Oma hat die Kaninchen selbst geschlachtet und ich habe mit den abgehackten Pfoten gespielt“.

Aber so ist das nun mal, wer Fisch und Fleisch essen will, muss sich auch mit dem Aspekt des Tötens abfinden.

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